© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/05 20. Mai 2005

Die Woche
Die gesamtdeutsche DDR
Fritz Schenk

D ie Überfülle des sechzigjährigen Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs hat ein Ereignis übersehen lassen, das erst fünfzehn Jahre zurückliegt: Die ersten, einzigen und letzten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR. Sie hatten am 18. März 1990 stattgefunden, bei über 93 Prozent Wahlbeteiligung der in PDS umbenannten SED mit 16 Prozent eine Abfuhr erteilt, der CDU (eingebunden in ein Wahlbündnis "Allianz für Deutschland") nicht für möglich gehaltene 40 Prozent gebracht, was am 12. April 1990 zur Wahl von Lothar de Maizière als Ministerpräsidenten einer bürgerlich-sozialdemokratischen Koalitionsregierung der DDR führte.

Der Vorgang hatte eine nicht zu schmälernde positive und eine noch heute fortwirkende negative Wirkung. Die positive bleibt in die Geschichtsbücher festgeschrieben als unaufhaltsamer Kurs zur Deutschen Einheit. Daß dies das Hauptziel der de-Maizière-Regierung war, daran ließ dieser einzig frei gewählte DDR-Ministerpräsident nicht den geringsten Zweifel.

Die negative Wirkung betraf den innenpolitischen neuen Kurs der DDR, der den Grundstein für jene gesamtdeutschen Verwerfungen legte, an denen das vereinte Deutschland noch heute (und fortdauernd) krankt. Man kann - nein, muß - dies als Konservierung des DDR-Sozialismus und dessen Übertragung in die gesamtdeutsche Realität bezeichnen.

Die Koalitionsvereinbarung wie de Maizières Regierungsprogramm und Regierungserklärung machen jene Eckpunkte fest, die dann im Spätsommer 1990 in den Einigungsvertrag aufgenommen und von den gesamtdeutschen Regierungen seit Ende 1990 nicht korrigiert worden sind. Da ist an erster Stelle das Festhalten an den menschenrechtswidrigen Enteignungen der Kommunisten zu nennen. Entsprechend ihrer Herkunft und marxistisch-leninistischen Ver-Bildung sprechen auch de Maizière und seine Regierung vom kommunistischen Raubgut als "Volkseigentum", das es zu erhalten und in marktwirtschaftliche Rechtsformen "umzuwandeln" gelte. Dabei sollten die DDR-Bürger in "angemessener Form" beteiligt werden.

Den Eintritt in die Bundesrepublik postulieren sie beim Geldumtausch, Löhnen, Gehältern und Renten im Verhältnis eins zu eins, wie dann ja auch geschehen. Dagegen sollten Mieten, sonstige Wohnkosten, Preise für Verkehr und sonstige öffentliche Einrichtungen erst nach und nach westdeutschen Bedingungen angeglichen werden. Diese fortdauernde Subventionierung der neuen Länder begründete de Maizière mit dem damals auch von der westdeutschen politischen Öffentlichkeit hochgelobten Satz, daß man "die Teilung nur durch Teilen" überwinden könne.

Es ist richtig, daß angesichts der einmaligen und atemberaubend schnellen Entwicklung der damaligen Zeit den aus dem Widerstand hervorgegangenen demokratischen DDR-Vertretern der katastrophale Ist-Zustand ihres "Staates" weder bekannt war noch von westdeutscher Seite klargemacht werden konnte. Aber es muß auch festgehalten werden, daß die Macher der damaligen Zeit in der Regierung Kohl selber nichts über die innere Lage der DDR wußten, weil sie es auch gar nicht wissen wollten.

So sind wir denn vereint in die gesamtdeutsche schöne und gutmenschlich-sozialistische DDR geschlittert. Und Sozialismus ist immer der Weg in den Bankrott.


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