© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/05 27. Mai 2005

Burschen marschieren durch die Institutionen
Studentenverbindungen: Burschentag in Eisenach / Konservative Mitgliedsbünde festigen Einfluß auf Verbandsarbeit / CDU-Politiker halten Reden
Matthias Müller

Unter dem Motto "190 Jahre Deutsche Burschenschaft" trafen sich im thüringischen Eisenach am vergangenen Wochenende die Mitgliedsbünde der Deutschen Burschenschaft (DB) zu ihrer jährlichen Dachverbandstagung. Ziel des Zusammentreffens des mit 112 Mitgliedsverbindungen und seinen knapp 15.000 Aktiven und Alten Herren zweitgrößten studentischen Dachverbandes ist die Festlegung der gemeinsamen Positionierung zu bestimmten politischen und hochschulpolitischen Themen.Dabei wurde in diesem Jahr der Burschentag nicht wie in den Jahren zuvor auf der Eisenacher Wartburg eröffnet, sondern erstmalig durch einen Festakt in Jena, um der dortigen Gründung der Urburschenschaft im Jahre 1815 zu gedenken. Hierzu wurden die Burschenschafter mit einem historischen Sonderzug von Eisenach nach Jena befördert. Beim dortigen Festakt hielt die CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld die Festrede. Sie erwähnte in ihren tagespolitisch geprägten Ausführungen jedoch nur kurz den eigentlichen Anlaß des Zusammenkommens und ging nur ansatzweise auf die nunmehr 190jährige Geschichte der Deutschen Burschenschaft ein. Dennoch wurde ihr dortiges Erscheinen von den Burschenschaftern mit Freude zur Kenntnis genommen. Denn ihrem eigenen Bekunden zufolge war Lengsfeld im Vorfeld ihres Auftrittes von einem Jenaer Professor sowie einem Journalisten, die sie beide namentlich nicht benennen wollte, unter Druck gesetzt worden, ihren zugesagten Auftritt vor den Teilnehmern des Burschentages doch noch abzusagen.

Der anschließende geplante Fackelmarsch durch die Innenstadt zurück zum Bahnhof war zum Bedauern der Korporierten kurz zuvor von den Behörden untersagt worden.

Für den darauffolgenden Tag waren die verbandsinternen Verhandlungen, der eigentliche Burschentag, angesetzt. Von diesem gingen im Gegensatz zu manch vorangegangenem Jahr jedoch kaum inhaltliche Impulse aus und nur wenig bedeutende politische Resolutionen hervor. Hervorzuheben ist dennoch der mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Beschluß zur sogenannten Mölders-Struck-Affäre. Dieser sieht einen Offenen Brief an Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) vor, in dem die Deutsche Burschenschaft gegen die Tilgung des Namens des einstigen Jagdfliegers Oberst Werner Mölders aus der Bundeswehr Stellung beziehen will.

Bei den abschließenden Personalwahlen ergaben sich erhebliche Weichenstellungen, welche mit Sicherheit das zukünftige äußere Erscheinungsbild der Deutschen Burschenschaft verändern dürften. Denn die aufgestellten Kandidaten aus den Mitgliedsbünden der konservativ ausgerichteten Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) konnten erstaunlicherweise erstmals alle Schlüsselpositionen in der Deutschen Burschenschaft übernehmen.

Die Mitgliedsverbindungen der Burschenschaftlichen Gemeinschaft treten inhaltlich für die Wahrung der urburschenschaftlichen Ideale und für das Festhalten am Prinzip der Pflichtmensur ein und besitzen mit ihren mittlerweile 42 Verbindungen eine entscheidende Sperrminorität innerhalb der DB. Aufgrund des unerwarteten Wahlausganges werden daher ab Sommer 2006 alle vier der auf zwei Jahre gewählten Verbandsobmänner des DB-Verbandsrates Angehörige von BG-Mitgliedsbünden sein.

Des weiteren ging das Amt für die Vorsitzende Burschenschaft im Jahr 2006/07 an die Innsbrucker Burschenschaft Brixia. Die Geschichte dieser Verbindung ist eng mit dem Südtiroler Freiheitskampf verbunden, und in der Deutschen Burschenschaft ist sie für ihre prinzipientreue Grundeinstellung bekannt.

Eng mit dem Freiheitskampf Südtirols verbunden

Aufgrund dieser personellen Veränderungen ist zu erwarten, daß sich die Deutsche Burschenschaft ab 2006 in ihrer Selbstdarstellung sowie in der politisch-öffentlichen Betätigung wieder konsequenter an ihren urburschenschaftlichen Traditionen und Leitsätzen orientiert, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war, und sie demnach deutlicher als bisher zu Verfehlungen des herrschenden Zeitgeistes Stellung beziehen wird.

Bis dahin wird jedoch die bereits beim letztjährigen Burschentag zur Vorsitzenden bestimmte Stuttgarter Burschenschaft Alemannia, der ein eher zurückhaltender und liberaler Kurs nachgesagt wird, die Führung der DB übernehmen. Am Ende dieses Verhandlungstages wurde wieder eine Generaldebatte eröffnet, in diesem Jahr zum Thema "Politische Kultur in Deutschland?!" Hierbei waren sich die Teilnehmer bei der Lageanalyse einig, daß aller burschenschaftlicher Intervention zum Trotz seit 1968 eine erhebliche Verschiebung des politischen Koordinatensystems stattgefunden und sich daher die politische Kultur zuungunsten einer gesunden deutschen Identitätsfindung verändert habe. Dringend geboten sei deswegen ein burschenschaftlicher Marsch durch die Institutionen, der jedoch nur durch einen breiten Schulterschluß der Burschenschafter untereinander eine Chance auf Erfolg haben könne. Appelliert wurde daher an ein gemeinschaftliches tagtägliches Eintreten für die burschenschaftlichen Wertmaßstäbe und Überlieferungen. Erheblichen Streitstoff bot jedoch die Frage, inwieweit ein Umsetzen politischer Ziele innerhalb der bisher etablierten Parteien überhaupt noch sinnvoll sei.Am darauffolgenden Tag wurde am Langemarck-Ehrenmal auf der Eisenacher Göbelskuppe das alljährliche Totengedenken der Deutschen Burschenschaft vorgenommen, ehe dann am Abend der Burschentag mit dem feierliche Festkommers ausklang, auf dem der ehemalige Bremer Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) eine wenig aussagekräftige Festrede hielt.


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