© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/05 27. Mai 2005

Spiel mir das pralle Leben
Ein Mann, wenig Worte: Die Hollywood-Ikone Clint Eastwood wird fünfundsiebzig
Michael Insel

Seit einem halben Jahrhundert spielt Clint Eastwood den wortkargen Macho mit zusammengekniffenen Augen, so sehr ikonische Figur des Hollywood-Kinos wie unverkennbare Projektion seiner eigenen Persönlichkeit: von dem Fremden ohne Namen, der sich als Mörder verdingt, über den zynischen Aufräumer-Bullen "Dirty Harry" Callahan bis zu dem barschen, aber sensiblen Boxtrainer Frankie Dunn. Derselbe minimalistische Stil zeichnet seine Regiearbeit aus, die das Publikum dennoch in den Bann zieht. So garantiert sein Name den Studiobossen bis heute einen Kassenschlager und eine gute Chance auf Oscar-Nominierungen.

Eastwood wurde am 31. Mai 1930 in San Francisco geboren. Während der Depression zog seine Familie auf der Suche nach Arbeit für den Vater immer wieder um. Schließlich ließ sie sich in Oakland nieder. Clinton jr. diente als Schwimmlehrer beim Militär und begann danach ein Betriebswirtschaftsstudium am Los Angeles College, das er nicht abschloß. Taschengeld verdiente er sich unter anderem als Bar-Pianist.

Dem Blues und Jazz gilt seit jeher Eastwoods Leidenschaft. In späteren Jahren konnte er ihr mit einer Reihe Projekte frönen, die ihm am Herzen lagen, wie "Bird" (1988), einem Film über das Leben der Jazzlegende Charlie Parker, oder "Piano Blues", mit dem Martin Scorsese seine Dokumentarreihe über die Bluesmusik beschloß. Für "Die Brücken am Fluß" und "Erbarmungslos" komponierte er gemeinsam mit Lennie Niehaus die Filmmusik, für den Soundtrack zu "Million Dollar Baby" das Stück "Blue Morgan", und 2003 zeichnete ihn das Henry Mancini Institute für seinen hervorragenden Beitrag zur amerikanischen Musik aus. Hätte er es als Schauspieler zu nichts gebracht, wäre aus dem Vollblut- wohl ein Vollzeitmusiker geworden.

Statt dessen nahm Universal Pictures ihn unter Vertrag, und 1955 feierte Eastwood sein Leinwanddebüt als Labortechniker in dem Science-Fiction-Streifen "Rache des Ungeheuers". Das Filmgeschäft erwies sich zunächst als so wenig lukrativ, daß der Frischvermählte Swimming-Pools für die Beverly-Hills-Schickeria ausheben mußte, um sich und seine Frau Maggie durchzubringen.

Eastwood drehte elf weitere Filme für Universal, darunter Rollen in dem Schock-Klassiker "Tarantula" (1955) als Pilot des Fliegers, der die Riesenspinne mit Napalm ins Jenseits befördert, sowie in drei Western: "The First Travelling Saleslady", "Noch heute sollst du hängen" (beide 1956) und "Ambush at Cimarron Pass" (1958), erste Wegmarken in Richtung einer besseren Zukunft. Der große Durchbruch glückte ihm dann im Kleinformat, nämlich auf dem Fernsehbildschirm: Nach Gastauftritten in Serien wie "Highway Patrol" und "Maverick" bot ein hohes Tier beim Sender CBS Eastwood die zweite Hauptrolle in "Rawhide" (im deutschen Fernsehen "Cowboys") an, einem Viehzug, der sieben Jahre (1959-1966) dauern und ihn zu Sergio Leone führen sollte.

Während einer Drehpause reiste Eastwood 1964 nach Italien, um die Hauptrolle in Leones "Für eine Handvoll Dollars" zu spielen. Mit "Für ein paar Dollars mehr" (1965) und "Zwei glorreiche Halunken" (1966) setzten die beiden ihre Zusammenarbeit fort. Letzterer Film machte Eastwood endgültig zum Weltstar. Die nächste Hauptrolle in Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968) schlug er dennoch aus, um in die USA zurückzukehren und seine eigene Produktionsfirma Malpaso zu gründen, unter deren Dach seither die meisten seiner Filme entstanden sind. Gleich seine erste Produktion, der Western "Hängt ihn höher" (1968), wurde zum Erfolg.

Mit "Sadistico" (1971) versuchte Eastwood sich erstmals auch als Regisseur. Noch im selben Jahr lehnte Frank Sinatra die Rolle des Harry Callahan ab - Eastwood schien sie wie auf den Leib geschrieben, und im Laufe der nächsten siebzehn Jahre kehrte er fünfmal als "Dirty Harry" auf die Leinwand zurück. Als er sich 1986 um das Bürgermeisteramt der schmucken kalifornischen Küstenstadt Carmel bewarb, ließ er Autoaufkleber und T-Shirts mit Dirty Harrys Motto "Make My Day" bedrucken. 72 Prozent der Wähler kamen seiner Aufforderung nach.

Eastwoods Vorstoß in die politische Arena scheint hauptsächlich von Auseinandersetzungen mit der Stadtverwaltung motiviert gewesen zu sein, die ihm eine Baugenehmigung für die Renovierung seines Restaurants verweigerte. Zu den ersten Maßnahmen, die er als Bürgermeister durchsetzte, zählte eine Lockerung der strengen Planungsbeschränkungen in der Viertausend-Einwohner-Stadt. Wie Eastwood einmal sagte: "Wenn du eine Wende erleben willst, mußt du die Dinge selber in die Hand nehmen." 1987 verkündete er, nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen, sondern sich künftig ganz dem Filmgeschäft widmen zu wollen.

Während die meisten Regisseure mit sechzig ihre besten Filme längst gedreht und mit siebzig die Weisheit haben, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, wuchs Eastwood als Schauspieler, Produzent und Regisseur über sich hinaus und schuf Meisterwerke wie den für neun Oscars nominierten Western "Erbarmungslos" (1992) und den stimmungsvollen Thriller "Mystic River" (2003). Zuletzt brachte ihm "Million Dollar Baby" einen Oscar für die beste Regie ein. Nach 57 Filmen, in denen er 46 Hauptrollen spielte, 29mal als Produzent beteiligt war, 25mal Regie führte und 13mal alle drei Rollen kombinierte, wäre dem siebenfachen Vater der Ruhestand mit seiner zweiten Frau, der Nachrichtensprecherin Dina Ruiz, und Tochter Morgan zu gönnen. Zu hoffen wäre, daß er noch lange nicht aufhört. 

Foto: Clint Eastwood in "Erbarmungslos" (1992): Im Alter wuchs er über sich hinaus und drehte Meisterwerke


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen