© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/05 27. Mai 2005

Leserbriefe

Zu: "Urlaub statt Nachwuchs" von Ellen Kositza, JF 20/05

Öffentliche Wertschätzung

In dem Artikel ist ein entscheidender Faktor ungenügend erwähnt: die öffentliche Wertschätzung der Tätigkeit als Mutter und Hausfrau. Solange von einer Frau gesagt wird: "Sie ist nur Hausfrau", ist das eine Verkennung des Wertes der Kindererziehung. Erst wenn im allgemeinen Sprachgebrauch gesagt wird: "Sie ist keine Mutter, sondern nur berufstätig", werden wir wieder zu einer natürlichen Bevölkerungspolitik zurückkehren.

Franz Scheppler, Westerland/Sylt

 

Lästige Ehemänner

Frau Kositza verschlägt es den Atem, daß ein Viertel der deutschen Männer noch nicht einmal Lust auf ein einziges Kind hat. Noch viel zu wenig, kann man da nur sagen! Denn bei dem zeugungswilligen Rest hat sich offenbar noch nicht herumgesprochen, auf welche finanzielle Abenteuer man(n) sich im "Erfolgsfall" einläßt.

Mir stehen jene Männer vor Augen, die im guten Glauben an eine intakte Ehe eine Familie (mit)gegründet und dazu Kinder in die Welt gesetzt haben. Nicht ohne Grund sind es überwiegend die Ehefrauen, die den "Vertrag" aufkündigen und sich samt Kindern davonmachen. Denn neben den satten Unterhalts- und Versorgungsansprüchen sind vor allem die Kinder ein Faustpfand für ein auskömmliches Leben, endlich ohne den lästigen Ehemann. Der darf dann weiterhin "Karriere" machen, damit er seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen kann, falls er es nicht vorzieht, gleich in die Asozialität abzusteigen.

Hans Meier, Berlin

 

Fundament des Staates

Jede Gesellschaft bekommt so viele Kinder, wie sie verdient. Familienleben! Wie oft haben Staatsmänner und Gelehrte, darauf verwiesen als auf die Quelle aller Volkskraft, als das feste Fundament des Staates. Je geschützter die Quelle, desto reiner das Wasser; je unerschütterter das Fundament, desto sicherer der Bau. Laute Warnrufe wurden in den Wind geschlagen. Tiefe Trauer: Der Kinder Lachen will man nicht mehr hören; der Ehegatten Treue wird nicht mehr überall als unverbrüchlich angesehen. Ist es vorbei mit der Festigkeit des Fundaments? Zu jedem Haus gehören Kinder, und Luther sagt: An ihren Kindern können sich Eltern die Hölle oder den Himmel verdienen.

Hans-Joachim Reimann, Siegen

 

 

Zu: "Bedingte Freiheit" von Eike Erdel, JF 20/05

Demonstrationsrecht garantiert?

Nach dem Grundgesetz, das bei uns Verfassungsrang hat, ist das Demonstrationsrecht garantiert. Trotzdem hat am 8. Mai 2005 die Polizei eine rechte Partei daran gehindert, einen vorher angemeldeten und genehmigten Demonstrationszug vom Berliner Alexanderplatz zum Bahnhof Friedrichstraße durchführen zu lassen. Als Argument dafür gab sie an, daß Gegendemonstranten, sprich die sogenannte Antifa, die Marschroute besetzt hätten.

Nun wäre es die Pflicht der Polizei gewesen, entweder dafür zu sorgen, daß keine Störer die vorgesehene Route besetzten, oder sie gegebenenfalls freizuräumen. Nichts von alledem geschah. Im Gegenteil. 

Dr. Konrad Voigt, Berlin

 

 

Zu: "Wir sind die Toten" von Moritz Schwarz, JF 20/05

Ehrenwerter Versuch

Sechzig Jahre nach der deutschen Kapitulation fehlt es an Erinnerung. Wer weiß noch etwas von den Schrecken der Vertreibung, von den Mordorgien in Tschechien oder Jugoslawien, von den Massenvergewaltigungen durch die Rote Armee? Wem sagen die abgetrennten Landesteile im deutschen Osten noch etwas? Ja, selbst die deutsche Teilung ist schon bei jüngeren Bürgern oft vergessen. Da war es ein ehrenwerter und dankenswerter Versuch junger Leute, während des 8. Mai die Vertreibung durch einen Umzug zu verlebendigen. Natürlich nur in dem Machbaren, ihr ganzer Schrecken ist viel zu furchtbar, um ihn darstellen zu können.

Dieter Pfeiffer , Per E-Post

 

 

Zu: "Die Frage nach dem Schlußstrich" von Bruno Bandulet, JF 20/05

Schlußstrich längst gezogen

Was vor über 60 Jahren geschehen ist, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern, aber es kann nicht Gegenstand unseres Lebens sein. Wir können und dürfen auch nicht in jedem Tschechen oder Polen einen Mörder sehen, nicht in jedem Russen einen mörderischen Vergewaltiger, nicht in jedem Amerikaner oder Briten einen Bombenwerfer auf Frauen, Kinder und Greise, denn die heutige Generation der Kriegsgegner hat keine Gewalt gegen uns ausgeübt wie wir nicht gegen sie. Und auch die in unser Land einwandernden Juden haben längst einen Schlußstrich gezogen, denn sonst wären sie doch nicht zu uns gekommen, um mit uns zu leben.

Rudolf Paletta, Bad Neuenahr

 

 

Zu: "Nascha pobeda! - Unser Sieg!" von Rudolf Nadolny, JF 20/05

Verordnetes Schweigen

In Moskau fand eine Orgie der Geschichtsfälschung statt. Wie aber ist es möglich, daß ein weltweit wie welthistorisch unvergleichliches Terrorsystem sich sowohl selbst feiern konnte wie auch von vielen Staaten gefeiert wurde? Hier kommen offensichtlich historische Machtinteressen ins Spiel, die bis heute strikt tabuisiert werden, da sie zum Teil immer noch wirksam sind. Als Martin Hohmann die Decke des verordneten Schweigens im Interesse historischer Wahrheit ein wenig anheben wollte, erscholl sofort der Ruf: "Kreuziget ihn". Und wie ihm erging es schon früher manchen Historikern und Publizisten.

Wie war und wie ist solche globale Geschichtsfälschung, die absolute Einseitigkeit von Schuldvorwürfen möglich? Eine Antwort findet sich bei dem bekannten US-amerikanischen Journalisten Walter Lippmann, der eines der Ziele der "Umerziehung" nach 1945 offenlegte: Der Sieg über ein Land sei erst dann vollständig, wenn die Kriegspropaganda der Sieger Eingang in die Schulbücher des besiegten Landes gefunden hat und sie von den nachfolgenden Generationen als unbestreitbare Wahrheit geglaubt wird. Bertolt Brecht kommentierte diese bei uns bis heute vorherrschende Strategie der geschichtsmanipulierenden Erinnerungspolitik im Jahr 1947: "Immer doch schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten. Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge. Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge."

Dr. Gerhard Lienau, Berlin

 

Mit Partisanen plaudern?

Ist es vorstellbar, daß in einem anderen Staat die eigenen Opfer vergessen werden, ihre Leiden nur als Ausnahme Erwähnung finden? Würde ein anderer Staat seine totale Niederlage als Befreiung feiern? Undenkbar! Ein deutscher Kanzler, der die Parade zum Sieg über den Staat, den er vertritt, mit abnimmt und mit einer ehemaligen Partisanin plaudert (Ob sie ihm verraten hat, wie viele unserer Soldaten sie aus dem Hinterhalt ermordet hat?) kann doch nur in einem Panoptikum Platz finden.

 Jörn Heinichs, Dorsten

 

 

Zu: "Zwischen den Zeiten" von Klaus Motschmann, JF 20/05

Haß der Kommunisten

Wie die Kommunisten Bischof Dibelius haßten und zugleich fürchteten, geht aus vielen Berichten damaliger SED-Dienststellen hervor. Im Januar 1959 schrieb der Rat des Kreises Arnstadt in einer Analyse über die Politik mit den Kirchenvertretern im Kreisgebiet über einen Pfarrer, der ein "starker Dibelius-Anhänger" gewesen sei, sinngemäß über eine entsprechende Äußerung des Pfarrers: Die Aktion, die man gegen Dibelius betreibe, sei eine große Schweinerei, erstunken und erlogen. Nach dem Abschluß des Militärseelsorgevertrages zwischen der Bundesregierung und den Kirchen hatte sich Bischof Dibelius endgültig den Haß der ostdeutschen Satrapen der russischen Kommunisten zugezogen. Fortan sprachen diese nur noch von der "Nato-Kirche". 

Jürgen Gruhle, Nauendorf

 

 

Zu: "Moderne Sklaverei für Deutsche" von Werner Pfeiffer, JF 20/05

Vergessene Ungarndeutsche

Wie gehabt: Die Verschleppung der Volksdeutschen aus Rumänien wird erwähnt, die der aus Ungarn aber nicht. Ihr Schicksal hat in der Erinnerung keinen Platz. Unerwähnt bleibt auch, daß rumänische Staatsmänner sich für die gezielte Verschleppung von Deutschen entschuldigt haben (Iliescu bekennt "Momente der Schuld", FAZ vom 14. Januar 1995), während Ungarn jede Schuld weit von sich weist - auch heute noch.

Franz Wesner, Dortmund

 

 

Zu: "Auch leben ist gefährlich" von Roland Baader, JF 20/05

Menschenverachtung

Es hat Jahre gedauert, bis die Raucher-Lobby die Kröte schluckte, daß auch Passivrauchen krebsriskant ist. Trotz dieser Erkenntnis folgt nun die Belehrung über die "Rauchfreude am Steuer" und der Risikovergleich mit Lebensnotwendigkeiten, alles halb so schlimm, etwa im Stil der Marlboro-Werbung: "Sterben mußt Du sowieso". Dieser Zynismus wird noch übertroffen mit der erwähnten Hilfestellung des Kulis, der dem rauchenden Politiker die (Stange) Zigarette hält. Über eine solche Menschenverachtung sollte eine aufklärende Zeitung nicht berichten, ansonsten könnte die JUNGE FREIHEIT zu einem Ratgeber für junge Neueinsteiger werden, die bekanntlich die Gefahr sehr lieben. 

Karl Dimmig, Neuss

 

 

Zu: "Der Charakter der Nation" von Thorsten Hinz, JF 19/05

Neudeutsch überdreht

Bereits die Frage nach der Überlagerung der deutschen Kultur durch NS-Diktatur und bedingungsloser Kapitulation ist typisch deutsch, neudeutsch überdreht. Niemand zweifelt daran, daß die russische Kulturtradition trotz Stalins Gulag ihren unzerstörbaren Wert hat und auch die chinesische Kultur nicht von der Kulturevolution begraben wurde. Machtwahn und Menschheitsverbrechen gehören einfach einer anderen Dimension an als die deutsche literarische und musikalische Klassik. Die Unterstellung oder Frage nach dem Kulturverlust ist selber eine exzessive Folge der Katastrophe von 1945, welche vor allem die Nachgeborenen in tiefste Selbstzweifel - ja, Selbsthaß - gestürzt hat. Daher weiß heute niemand oder traut es nicht zu sagen, worin eine spezifisch deutsch Größe bestehen könnte, geschweige denn daß eine solche angestrebt wird.

Ähnlich wie nach dem Dreißigjährigen Krieg ist eine fast völlige Charakterlosigkeit erreicht, die ihren Gipfel in oft schon grotesken Auswüchsen der Gutmenschen-Ideologie findet. Die deutsche Katastrophe 2005 besteht in der kompletten Negierung der Nation, in dem selber totalitären Bestreben, auch die letzten deutschen seelischen Bestände zu vernichten zugunsten einer hedonistisch globalisierten Gesellschaft, eines "Standortes", der ehrlicherweise "West-Mitteleuropa" statt "Deutschland" heißen sollte.

Rudolf Kraffzick, Hainau

 

 

Zu: "Die wahre Macht des Kapitals" von Roland Baader, JF 20/05

Die große Keule schwingen

Unser neoliberaler Hardliner zitiert sehr beifällig einen Gesinnungsgenossen aus der Finanzwoche, der "die Müntefering-Thesen in der Zeitung liest", "solche weltfremden Wünsche mit der hoch wettbewerbsfähigen, eigenverantwortlichen Welt der Chinesen vergleicht" und dem's dann "nur bang werden kann um die Zukunft Deutschlands".

Ja, Verhältnisse wie in der Volksrepublik China müßten wir eben hier in Deutschland haben! Natürlich dürfte die Gesellschaft nicht einer Partei und einem Politbüro, sondern allein der Wirtschaft als Beute überlassen werden. Aber eine Aktion wie weiland 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking würde der - wie Herr Baader sie nennt - kapitalistischen "Friedensordnung" sicher sehr zupaß kommen. Endlich weg mit dem ganzen linken Pack aus Gewerkschaft, Intellektuellen- und Kirchenkreisen, Schluß mit dem Demokratie- und Solidaritätsklimbim, mit Tarifverträgen und Mitbestimmung! Gegen die Arbeitslosen, die sozial Schwachen, die Kranken und Alten und all die anderen Faulenzer und Leistungsverweigerer - gegen sie alle müßte man nun endlich mal die ganz große Keule schwingen!

Hans Brückl, Bad Kösen

 

Beklagenswerter Zustand

Zugegeben, Herrn Baaders Ansichten zur derzeitigen "Kapitalismusdebatte" liegen nicht vollkommen neben der Sache. Sein Plädoyer für einen ungezügelten Manchester-Kapitalismus macht jedoch deutlich, daß sein Wissen bzw. Wissenwollen um die durch einen solchen in früheren Zeiten hervorgerufenen Zustände, höflich ausgedrückt, stark herabgesetzt ist. Sollte diesem beklagenswerten Zustand allerdings einmal Abhilfe geschaffen werden, so hoffe ich, daß jene nicht über Ge-bühr rasch und eindringlich ausfällt.

Frank Stritzl, Per E-Post

 

 

Zu: "Haß statt Befreiung", Interview mit Vytautas Landsbergis, JF 19/05

Selbstzerfleischung

Im Umfeld der Selbstzerfleischung der deutschen Geschichte zum Tag des Kriegsendes ist es für uns Deutsche doch erstaunlich, daß ein ehemaliger Präsident eines Landes, welches ebenfalls unter der deutsch-sowjetischen Geschichte unendlich gelitten hat, uns ein solch klares Geschichtsbild vermittelt.

Hätten Medien und unser politisches "Führungspersonal" ähnliche Qualitäten wie Herr Landsbergis, könnten wir mit "unserer" Geschichte genauso leben wie andere Völker mit ihrer eigenen Vergangenheit.

Thomas Jürgewitz, Wulsbüttel

 

 

Zu: "Auf das Verstehen kommt es an" von Jens Knorr, JF 19/05

Feindbild Bürgertum

Wo sind wir hingekommen mit zwar eloquenten, aber schlicht destruktiven Wirrköpfen wie einem Regisseur und Dramaturgen Jens Knorr, dessen traumatisches Feindbild Bildungsbürgertum heißt?

"Jedem Augenblick Theater ... die Stufen des Verstehens einzuschreiben", wie der Besserwisser fordert, hängt gewiß nicht von der "Quantität" eines Stücketextes ab, die mit der Zurichtung und Verfremdung in beliebig auseinandergerissene Fetzen, "als ein nach Gutdünken überhaupt erst zusammengesetzter Text ... dem Stück auf den Grund kommt, seine Gehalte offenlegt und gewichtet ... seine Zuschauer im Innersten trifft". Die Qualität macht ein Theaterstück, zu dem es gute Darsteller braucht (wie zu allen Zeiten), vor allem aber uneitle Theaterleute, die nicht so lange an der Aussage des Stückes drehen, ihm nicht ihre mehr oder minder interpretationswütige Meinung aufzwingen, bis aus den Scherben eine zwar vielleicht zeitbezogene, aber gewiß nicht autorengerechte Adaptation entstanden ist.

Wohin soll es denn gehen, "aus dem bürgerlichen Leben hinaus"? Ist da ein fernes Ziel, etwa eine erzieherische Erbauung? Oder soll es doch einfach nur der Spaß einer so erzogenen Spaßgesellschaft sein für die kindischen Versuche der Zwerge? Wir sind alle Bürger. Bürger, denen im Theater - und aufrüttelnd ganz besonders auch bei Schiller - der Spiegel vorgehalten wird. Zerschlagene Bruchstücke zum besseren Stückverstehen großzuschwätzen, selbstherrliche "Arbeiten nach Schiller", die "den Genuß an den klassischen Werken reiner" machen wollen: welch Selbstüberschätzung!

Magdalena Staude, Schlangenbad

 

 

Zu: "Die Rückkehr des Kapitalismus" von Jost Bauch, JF 19/05

Kapitalismuskritik ernst nehmen

Es ist höchste Zeit, daß die Kapitalismuskritik eines prominenten Sozialdemokraten auch von anderen ernst genommen wird. Warum werden in unserem Neokapitalismus die Reichen immer reicher und ihr Reichtum immer aufreizender? Weil für andere Ausbildung, Arbeitswille und Arbeitsfähigkeit nicht mehr den angestrebten oder gewohnten Lebensstandard sichern und sie insgesamt zugunsten der Reichen ärmer werden.

Dr. Erich Schäfer, Wien

 

 

Zu: "'Befreiung' von unserer Identität", Interview mit Karlheinz Weißmann, JF 20/05

Trügerische Hoffnung

Bei den in den Medien veröffentlichten Kommentaren und bei den fast uniformen Erklärungen unserer Parlamente und Abgeordnetenhäuser zum Kriegsende 1945 wird stets unterschlagen, daß Deutschland von 1939 an immer wieder versucht hat, im Verhandlungswege den mörderischen Krieg zu beenden. Dies wurde jedoch stets von den Engländern und den USA radikal abgelehnt.

Die deutsche Hoffnung bis zum Kriegsende war dabei aber immer noch die, daß die Westmächte sich letztlich doch noch gegen die Bolschewiken stellen würden, um Europa zu schützen. Es war eine trügerische Hoffnung.

Otmar Birkh, Heidelberg


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