© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

Türkischer Eiertanz
von Peter Lattas

Populist und Supereuropäer zugleich sein ist nicht einfach. CDU-Chefin Angela Merkel empfiehlt sich dem Wahlvolk durch ein "Nein" zur Aufnahme der Türkei in die EU als künftige Kanzlerin. Ihr Europa-Sprecher, Peter Hintze, will gar die Bundestagswahl zum "Plebiszit über den Türkei-Beitritt" machen. Fraktionsvize Wolfgang Schäuble läßt dagegen am Termin für den Verhandlungsbeginn mit Ankara nicht rütteln und versteckt sich hinter pacta sunt servanda. Merkel sprach im Europawahlkampf 2004 übrigens genauso. Wieder mal für jeden was dabei beim schwarzen Eiertanz. Das Durcheinander ist symptomatisch für die geistige Leere bei CDU und auch CSU.

Fixpunkte gibt es nicht mehr; den Bezug auf christlich-abendländische Werte etwa oder die konsequente Ausrichtung politischen Handelns am Wohl von Volk und Staat kennt die Merkel-Stoiber-Truppe nur als Wahlkampfslogan und nicht als innere Überzeugung. Ein paar Korsettstangen gibt es zwar, aber die sind von außen eingezogen - wie der Kinderglaube an Europa als Selbstzweck und die bedingungslose Vasallentreue zu den USA. Solche Dogmen stehen der Union noch jedesmal im Weg, wenn sie es denn mal mit "Deutschland dienen" versucht. Man könnte ja den Souverän fragen, wenn man sich selbst nicht traut, und Volksabstimmungen wie in Frankreich und Holland nicht länger blockieren - aber davor hat die CDU erst recht Angst. Also bleibt's beim alten Spiel - erst starke Sprüche klopfen, dann schwache Kompromisse schließen und im übrigen auf die Vergeßlichkeit der Leute setzen, die mit Angela vom Regen in die Traufe merkeln.


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