© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

PRO&CONTRA
Lkw-Fahrverbot auf Maut-Ausweichstrecken?
Karl-Heinz Hoyer / Johannes Th. Hübner

Es ist kaum noch zu übersehen. Seit Einführung der Maut für über 12 Tonnen schwere Lkw weichen immer mehr Lkw auf Bundes-, Landes- und Dorfstraßen aus und sorgen dort für dicke Luft. Bundesweit sind mittlerweile um die 400 Ausweichstrecken bekannt - doch nichts passiert.

In manchen Orten gleicht die Überquerung der Straße einem Drahtseilakt. Aber der Lkw-Ausweichverkehr erhöht nicht allein das Unfallrisiko, sondern er verursacht erhöhte Fahrbahnschäden und vervielfacht die Abgas- und Lärmbelastung. Die Lage der Anwohner ist prekär. Und dennoch hört man immer wieder, daß die gefühlte Belastung größer sei als die wirkliche. So weit, so schlecht. Erste Zählungen betroffener Gemeinden gehen von einem Anstieg des Lkw-Verkehrs zwischen zehn und 30 Prozent aus. Als hätte er das Problem Mautflucht deutlich unterschätzt, meldete sich nun auch Verkehrsminister Stolpe zu Wort und forderte die Kommunen und Länder auf, mautfreie Ausweichrouten für schwere LKW zu sperren.

Bund und Länder halten sich dennoch bedeckt und wollen erst noch eindeutige Zahlen. Dabei hätten sie nur nach Österreich zu schauen brauchen. Dort gibt es bereits seit Januar 2004 eine Lkw-Maut. Mit all den Folgen. Und die Daten der amtlichen Zählstellen bestätigten letztlich das "subjektive Gefühl" der Anrainer.

Doch bei uns will der Bund frühestens zum kommenden Jahreswechsel darüber entscheiden, ob und wie der Mautflucht begegnet werden soll. Da ist es schon sehr zu begrüßen, daß die Bundesstraße 9 zwischen Mainz und Worms seit dem 31. Mai für Lkw über 7,5 Tonnen gesperrt ist. Doch ist dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Güterfernverkehr gehört auf die Autobahn. Um dies zu erreichen, sind Sperrungen für LKW - mit Ausnahme des sogenannten Ziel- und Quellverkehrs - die dringende kurzfristige Lösung.

 

Karl-Heinz Hoyer ist Umwelt- und Verkehrsjournalist und Anwohner einer Maut-Ausweichstrecke.

 

 

Die von Bundesverkehrsminister Stolpe geforderten Aktivitäten von Landkreisen, Kommunen und Gemeinden zur Sperrung von sogenannten Ausweichrouten für den Lkw-Verkehr sind eine Ohnmachtserklärung der Bundesregierung. Von Anfang an hat sie nach Ansicht des Automobilclub von Deutschland auf das falsche Maut-System gesetzt, denn das EU-Weißbuch vom Juli 2001 hatte in weiser Voraussicht "eine flächendeckende Maut für alle Straßen" gefordert, "um Verlagerungen des Verkehrs zu vermeiden".

Die Bundesrepublik hätte das überteuerte toll-collect-System und das Ausweichen des Schwerverkehrs vermeiden können, wenn die nutzungsabhängige Abgabe einfach für alle Wegstrecken eingeführt worden wäre: Simple Kilometer- und Ladungsnachweise hätten die vielen häßlichen Kontrollbrücken sowie den anfälligen und überteuerten Kontrollaufwand für die Maut auf selektiv kostenpflichtigen Straßen überflüssig gemacht und mehr als die doppelte Maut eingebracht. Denn bei der derzeitigen toll-collect-Lösung werden 60 Prozent der Einnahmen für die Verwaltung verbraucht!

Der AvD befürchtet, daß die Lkw-Branche sich die regional zu verantwortenden und statistisch noch willkürlich angeordneten "Aussperrungen" nicht lange gefallen lassen wird und die Nicht-Belieferung ganzer Regionen oder gar Straßensperrungen durch wütende Spediteure drohen könnten. Welcher Lkw-Fahrer soll sich denn im Flickenteppich der Sonderlösungen noch zurechtfinden? Industrie und Handel in der Fläche müssen vom Lkw doch erreicht werden können. Der AvD fordert die Bundesregierung auf, als einzig wirksamen Schritt zur Deeskalation schnellstmöglich die flächendeckende Lkw-Maut vorzubereiten und eine simple, aber wirksame nutzungsabhängige Wegstreckenabgabe für alle Straßen einzuführen. Erst dann werden die Touren umweltfreundlich und effektiv geplant und durchgeführt.

 

Johannes Th. Hübner ist Leiter Kommunikation beim Automobilclub von Deutschland e.V. ( www.avd.de ).


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