© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

"Berlin05": Ein ganz besonderes "Festival für junge Politik"
Misch dich ein
Alexander Bagus

Schlaffe, entpolitisierte Jugend? Von wegen, in Berlin will "die" Jugend nun doch beweisen, daß sie auch ein Interesse an der Politik hat. Nur welches? "Auch Tocotronic stellen sich öffentlich gegen dumpfen Nationalismus und Deutschtümelei." So heißt es in der Beschreibung des Netzauftritts zu den einschlägigen Musikgruppen, die bei "Berlin05 - Festival für junge Politik" auftreten sollen. Darunter befinden sich Die Fantastischen Vier, die zuletzt mit ihrem Beitrag zu dem Sampler "Aufmucken gegen Rechts" auffielen (JF 05/05).

"Berlin05 - Das Festival für junge Politik" findet am Wochenende vom 10. bis 12. Juni in der Berliner Wuhlheide statt und wird organisiert vom sogenannten Projekt P, einer Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Bundeszentrale für politische Bildung sowie des Deutschen Bundesjugendringes.

Projekt P will Politik vermitteln und erklären

P steht für Partizipation, und so heißt es spritzig: "Misch dich ein". Das Ziel ist hoch gesteckt: Man will Politik vermitteln und erklären, einen "Dialog mit Politik und Schule" führen, alle möglichen Jugendprojekte fördern und so eine Art Netzwerk errichten.

Zu diesem Zwecke hat "Berlin05" ein jugendlich "gestyltes" Programm auf die Beine gestellt: Workshops, Foren zu Themen wie Ausbildung, Globalisierung und Rechtextremismus, sportliche Wettkämpfe und Podiumsdiskussionen mit Politikern wie dem Berliner Grünen Christian Ströbele. Auch Exkursionen zu "politischen Orten" in Berlin sind geplant.

Als besonderer Höhepunkt der Tage steigt ein großer Graffiti-Wettbewerb, genannt "The Flow". O-Ton: "'The Flow' bezeichnet den Prozeß der völligen Selbstvergessenheit des Einswerdens mit einer Tätigkeit, neben der alle anderen bedeutungslos sind!"

Die Bedingungen für das "Graffiti-Battle" sind einfach, die Voraussetzungen einschlägig: fünf mal zwei Meter große Flächen (weiß vorgestrichen), eine Atemschutzmaske, achtzehn "Montana Cans" (Sprühdosen), gleiche Farben und neun Stunden Zeit. Der Gewinner erhält "120 Montana-Gold Cans, diverse Graffiti Utensilien, ein COPIC Airbrushing-Layoutsystem sowie ein COPIC Writerset (36 Copics)!"

Neben dieser "Kunst"-Veranstaltung wurden schon im Vorfeld noch andere künstlerische Wettbewerbe angeboten. Dort standen Journalistik, Politikvisionen mit Internetauftritt und persönliche Initiativen im Vordergrund. Die Preiskomitees kürten bereits die Gewinner in den Kategorien "Video/Multimedia" und "Bildgeschichten". Hier stechen in der ersten Kategorie im Bereich "Premiumklasse '90 seconds to comply'" die Titel "90 Sekunden Vorurteil" und "Ein Kind des Kapitalismus" hervor. In der zweiten Kategorie beeindruckt besonders die Fotografie der Jugendzeitung Kompass 2 mit dem Titel "Viktoria setzt die Braunen matt - Viva Viktoria". All diese Werke können bei Berlin05 bewundert werden.

Doch nicht nur dies. Hinzu kommen noch die Einzelstände verschiedener Ämter, Initiativen und Gruppen, die sich dort präsentieren. So unter anderem die Globalisierungsgegner von Attac, das Bundesamt für Verfassungsschutz, Greenpeace, die Grüne Jugend, Jusos, die Linke SchülerInnenAktion Berlin, die Muslimische Jugend, die DLRG-Jugend Bayern, dol2day.com oder die Stiftung Demokratische Jugend/Civitas. Andere Jugendorganisationen wie die Jungen Liberalen und die Junge Union (JU) blieben zunächst außen vor. Erst nach einigem Hin und Her, einer parlamentarischen Anfrage der FDP sowie der JU-Rede von "politischer Implikation" sind nun wenigstens diese auf dem Festival vertreten.

Nichtsdestoweniger gilt der Kampf "gegen Rechts" als eines der Festival-Hauptthemen: "Mit neuen Strategien versucht die rechte Szene Propaganda zu machen. Wie kann man dem aktiv entgegentreten und verhindern, daß den Lügen Glauben geschenkt wird?"

Das Miteinander zwischen Samowar und Bierflasche

Interessant sind für die Veranstalter aber auch Fragenstellungen wie: "Was dein Handy mit dem Kongo zu tun hat und was Globalisierung eigentlich ist" oder "Wie das Zusammenleben der Kulturen in Deutschland funktioniert: zwischen Dönerbude und Bundestag, zwischen Samowar und Bierflasche". Wer diese nicht beantworten will, kann sich stattdessen auf eine Schmuggelrallye oder auf einen "Parcour zu verhängnisvollen Tauschgeschäften" begeben. Es können aber auch "Arbeitsplätzchen" gebacken werden.

Den Veranstaltern zufolge haben sich schon mehrere tausend Teilnehmer zu dem Festival angemeldet. Diese werden dann in einem großen Waldpark zelten und auch versorgt werden. Der Eintrittspreis beträgt - nach Voranmeldung per Internet ( www.berlin05.de ) - fünfzehn oder zwölf Euro für Gruppen. Jedem ab 16 Jahren steht es frei, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Und das ist auch gut so - denn Politik lebt von der Vielfalt.

Graffiti-Wettbewerb "The Flow": Als Gewinn 120 Sprühdosen


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