© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

Frisch gepresst

Kant-Gesellschaft. Hundert Jahre nach dem Tod des Königsberger Denkers wurde 1904 in Halle eine nach ihm benannte Gesellschaft begründet, die bald blühte und gedieh, in den zwanziger Jahren dann zur "größten philosophischen Gesellschaft der Welt" expandierte, ab 1933 aber politisch bedingt zerfiel und 1938 aus dem Vereinsregister gestrichen wurde. Der Berliner Kirchenhistoriker Günter Wirth, Jahrgang 1929, von Haus aus Germanist und jahrelang Publizist im Dienst der DDR-CDU, hat sich der Geschichte der Kantgesellschaft und ihres rührigen Geschäftsführers Arthur Levy (seit 1911 Liebert) angenommen und dabei den Schwerpunkt auf die Weimarer Blütezeit und den Niedergang der den neuen Herren als "jüdisch" und "liberal" geltenden Gesellschaft gelegt. Für die NS-Zeit ist Wirth leider das peinliche Mißgeschick passiert, den Forschungsstand ignoriert zu haben. Denn dazu liegen ein Aufsatz in den Kant-Studien von 1994 und eine Reihe weiterer Untersuchungen vor, die Wirth offenbar entgingen, so daß seine ohnehin viel zu knappen Ausführungen zu Lieberts "Gegengründung" im Exil, der dem "universalen Humanismus" verschriebenen "Philosophia", etwas - höflich formuliert - redundant wirken. Eher impressionistisch gerät seine Darstellung der zwanziger Jahre, obwohl sein spezifischer Zugriff von der Theologiegeschichte her reiche Ernte verspricht, wie sich im besten Kapitel über "Die russische Emigration und die KG" in dieser sehr teuren Broschüre erweist ("Turnierplatz" der geistigen Auseinandersetzungen. Arthur Liebert und die Kantgesellschaft 1918-1948/49, Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2004, 139 Seiten, 20 Euro).

Literaturgeschichte. Wer wie der Bamberger Germanist Heinz Gockel ein Buch mit dem Titel "Literaturgeschichte als Geistesgeschichte" (Vorträge und Aufsätze, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, 269 Seiten, gebunden, 12 Euro) versieht, der weckt große Erwartungen. Immerhin war die deutsche Literaturwissenschaft, vorbereitet schon zu Kaisers Zeiten, aber richtig in Fahrt kommend - also die Lehrstühle erobernd und den Buchmarkt dominierend - erst während der Weimarer Republik, schon einmal unter der Fahne "Geistesgeschichte" angetreten und hatte sich von der Hebungen und Senkungen zählenden oder Editionstechniken ins Virtuose schraubenden philologischen Flohknackerei ab- und den politisch-kulturellen Determinanten poetischer Produktion zugewandt. Dieser geistesgeschichtlichen Orientierung hat man nach 1945 wegen "gewisser Verstrickungen" entsagt, um wieder das zeitenthobene "sprachliche Kunstwerk" zu deuten. Gespannt nimmt man also Gockels Buch in die Hand, um zu erfahren, wie ein bundesdeutscher Germanist sich die Wiedererweckung der Geistesgeschichte denkt. Doch mehr als die triviale Einsicht, daß das "Leben und Leiden der Menschen sich historisch und poetisch dokumentiert", wird ihm nicht geboten. Was folgt, ist die Versammlung schon gedruckter Aufsätze über Lessing, Lichtenberg, Goethe, Brentano bis hin zu Günter Grass, Erich Fried und der ostholsteinischen Nachtigall Doris Runge. In den Dschungel der Historie wagt sich der kurz vor dem Ruhestand stehende Gockel nicht einmal bei seinen Reflexionen über "Schillers staatspolitische Ideen".

 

Brigitte Kronauer erhält Büchner-Preis

DARMSTADT. Die Schriftstellerin Brigitte Kronauer (64) erhält den diesjährigen Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Der mit 40.000 Euro dotierte Preis gilt als die bedeutendste literarische Auszeichnung in Deutschland. Er soll Kronauer bei der Herbsttagung der Akademie am 5. November in Darmstadt verliehen werden. (JF)

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