Zicke mit Charme
Kino: "Bin ich sexy?" von Katinka Feistl
Claus-M. Wolfschlag

Für ihren Debüt-Spielfilm hat sich Katinka Feistl mit viel Humor der Identitätsprobleme von Frauen in unserer von Medienbildern dominierten Gesellschaft angenommen. "Bin ich sexy?" nach dem Drehbuch von Sabine Brodersen führt in das Innenleben einer modernen deutschen Kleinfamilie.

Jutta (Birge Schade) ist eine alleinerziehende Mutter in Mannheim, die die Allüren ihrer drei Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zu erdulden hat. Deren Väter haben sich entweder von Jutta getrennt oder sind verstorben. Seitdem erduldet sie mit einer gehörigen Portion Gelassenheit ihr Single-Dasein. Die meisten Probleme bereitet ihr die 15jährige Tochter Mareike (Marie-Luise Schramm), die sich in den Kopf gesetzt hat, unbedingt Model zu werden, obwohl sie ganz offensichtlich zu pummelig für die Anforderungen der Agenturen ist.

Trotz ihrer schlechten Voraussetzungen möchte Mareike den Kampf gegen Heidi Klum und Co. aufnehmen, um endlich bewundert und geliebt zu werden. Sie erhofft sich einen Sieg bei der Wahl zur Miss Baden-Württemberg, auf den sie sich aber ohne professionelle Model-Ausbildung kaum Hoffnungen machen kann.

Nach vielen Absagen findet die ältere Betreiberin einer Model-Schule doch noch Gefallen an Mareike. Auch wenn diese mit Stöckelschuhen auf dem Laufsteg albern aussieht, strahlt sie eine Entschlossenheit aus, die ihr die Aura einer Zicke mit Charme verleiht. Die Model-Lehrerin will Mareike eine Chance geben, sofern diese abnimmt und die Einwilligung ihrer Mutter erbringt.

Damit beginnt für das Mädchen ein neues Problem, denn Mutter Jutta ist derzeit ganz mit sich selbst, mit Geldsorgen und einem neuen Verehrer beschäftigt, und sie zeigt keinerlei Verständnis für die Allüren ihrer Ältesten. Als dann noch gesundheitliche Probleme auftreten, wird der Zusammenhalt der Familie auf eine harte Probe gestellt.

Der Regisseurin, Jahrgang 1972 und seit 1996 Studentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), ist ein sensibles, unterhaltsames Sittenbild eines deutschen Alleinerziehenden-Haushalts gelungen. Streiten und Vertragen gehört zum Alltag, die Funktionalität des Familien-"Betriebs" und das Bedürfnis nach emotionaler Geborgenheit müssen ständig austariert werden. Hinzu kommen die persönlichen Bedürfnisse der Mutter, die noch dazu gerade einen forschen und fordernden Kollegen auf Vaterqualitäten abklopfen muß.

Die pubertierende Mareike hat währenddessen den Kampf gegen die weibliche Konkurrenz aufgenommen. Gegenseitige Gehässigkeiten bestimmen den Schulalltag. Hinzu kommt der Vergleich mit der hübscheren arabischen Freundin (Fada Nada), an der die Männer weitaus öfter Interesse zeigen.

So stattet sich Mareike mit allerlei schrecklich kitschigem Schnickschnack aus - Haartönungen, Kunsthaareinsätzen, Schminke, Pumps -, vom dem die Industrie behauptet, derlei Utensilien könnten Schönheit erzeugen. Mareikes Model-Fantasien nehmen zunehmend den Charakter eines Rachefeldzugs gegen eine ignorante Umwelt ein. Als die Mutter hierbei nicht mitzuspielen gedenkt, wird eine neue Front zwischen Jung und Alt eröffnet.

"Bin ich sexy?" stellt die Frage nach dem weiblichen Selbstverständnis, den Identitätsproblemen von Frauen in einer von Models und Starlets beherrschten Bilder- und Lebenswelt. Dabei birgt die Art und Weise des Umgangs miteinander durchaus auch für männliche Zuschauer interessante Einblicke.

Der gesellschaftliche Druck, sich an vorgegebenen Schönheitsidealen zu messen, ist enorm. Und hinter all den Bestrebungen junger Teenager nach Model- und Popstar-Karrieren versteckt sich letztlich der Wunsch, angenommen, bewundert, geliebt zu werden. Diese Sehnsucht nach Glück vermag Feistl ernsthaft, authentisch, sorgsam inszeniert, ohne Anklage, aber auch mit einer gehörigen Por-tion Situationskomik zu vermitteln.

Foto: Mareike Falken (Marie-Luise Schramm) und ihre Freundlin Basma (Faria Nada): Gehässigkeiten bestimmen den Schulalltag