© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Ankündigung einer feindlichen Übernahme
Bundestagswahlen: Sächsische NPD nominiert Holger Apfel und Harald Neubauer / WASG wehrt sich gegen angebliche Unterwanderung
Steffen Kaiser

Auf dem Landesparteitag der sächsischen NPD, zu dem die Partei Delegierte und Mitglieder von NPD und DVU am vergangenen Wochenende nach Grüna bei Chemnitz eingeladen hatte, stand neben der Wahl der Kandidaten für die im Herbst zu erwartende Bundestagswahl - wo die Partei über drei Direktmandate einziehen will - das Verhältnis zum "Linksbündnis" aus der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) und der PDS im Mittelpunkt.

NPD-Vorsitzender Udo Voigt gab in seiner Ansprache bekannt, daß seine Organisation in den östlichen Bundesländern "verstärkt um Wähler aus dem linken Spektrum werben" werde, da er das Linksbündnis als "Hauptgegner" im Kampf um die eigene Wählerschicht betrachte. Die ablehnenden Äußerungen des WASG-Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine zum Zuzug weiterer "Fremdarbeiter" und zu einem EU-Beitritt der Türkei wertete Voigt zudem als Indiz dafür, daß innerhalb dieser Protestklientel "die Angst vor der Überfremdung" Deutschlands "weit verbreitet" sei. Die "Übernahme" von NPD-Forderungen sei ein Indiz dafür, daß "unsere Forderungen nach Rückführung aller Ausländer in Deutschland salonfähig werden" sagte Voigt.

Unterstützung für diesen Kurs erhielt Voigt in Grüna von seinem Parteivize und Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag, Holger Apfel: "Wir müssen die Auseinandersetzung mit der PDS suchen, die viele heimattreue Wähler hat. Um jeden einzelnen von ihnen müssen wir kämpfen".

Dagegen sprach sich der sächsische NPD-Vorsitzende Winfried Petzold für eine stärkere Konzentration auf die eigene Stammklientel aus, anstatt Werbung in Wählerkreisen zu betreiben, die mehrheitlich die Rechtsaußen-Organisation sowieso "als Alternative zu den etablierten Parteien nicht akzeptieren" würden. "Wir brauchen nicht jeden, wir müssen nicht jeden gewinnen", sagte Petzold.

Als NPD-Spitzenkandidaten für den Bundestag auf der sächsischen Landesliste nominierten die Delegierten Apfel. Auf dem zweiten Listenplatz kandidiert der parteilose Herausgeber der in Coburg erscheinenden Monatszeitschrift Nation & Europa, Harald Neubauer. Der ehemalige bayerische Republikaner-Vorsitzende und Abgeordnete des Europaparlamentes war von der DVU nominiert worden. Auf Platz drei folgt NPD-Landeschef Petzold.

Beobachter berichten von Meinungsverschiedenheiten

Die Nominierung von Neubauer als Kandidat der DVU folgt dem sogenannten Deutschland-Pakt zwischen NPD und DVU. Demnach verzichtet die von Gerhard Frey geführte Partei zugunsten der NPD auf eine Teilnahme an der nächsten Bundestagswahl. Gleichzeitig ermöglicht die NPD Kandidaten der DVU, auf ihren Listen anzutreten. Trotz dieser Absprachen berichten Beobachter von erkennbaren Meinungsunterschieden zwischen den Partnern auf dem Parteitag. So stieß Freys klares Bekenntnis zum Grundgesetz, das er in seiner Rede auf dem Parteitag in Grünau ablegte, bei den Delegierten der NPD auf verhaltene Gegenliebe.

Beachtlich war das große Interesse der Medien an dem Nominierungsparteitag in der sächsischen Provinz. Für die Parteiführung um Udo Voigt kommt die neue Aufmerksamkeit gerade zum rechten Zeitpunkt. In den vergangenen Wochen hatte die WASG die NPD weitgehend aus der Öffentlichkeit verdrängt.

Die Behauptung von NPD-Parteichef Voigt, daß die NPD "von Anfang an Mitstreiter in die WASG geschickt" habe, um diese "zu unterwandern", wurde von der WASG zurückgewiesen. WASG-Sprecher Murat Cakir äußerte, daß ihm nur zwei Fälle bekannt seien, in denen "Rechte" versucht hätten, in die Partei einzutreten. Allerdings veröffentlichte die WASG am Montag auf ihrer Internetseite eine umfangreiche Erklärung unter dem Titel "Den Rechtsextremismus bekämpfen heißt die gesellschaftlichen Bedingungen zu attackieren". Im Wortlaut wird darin unter anderem ausgeführt: "Die Sphäre der Politik scheint für einen gewichtigen Teil der Wahlbürger nicht mehr in der Lage, den beschleunigten Wandel des kapitalistischen Systems zu  steuern oder zu moderieren." 

Die Honorierung der Parlamentarier und der Funktionsträger verstärke den Eindruck, daß diese Repräsentanten sich weit von den realen Alltagsstrukturen entfernt haben. Die unübersehbaren Probleme der ökonomischen Entwicklung, die Folgen der hohen Arbeitslosigkeit und die chronischen Defizite der öffentlichen und Sozialkassen hätten einen Großteil der Bevölkerung stark verunsichert. Dies sei auch der Nährboden für die Erfolge von "rechtsextremistischen Parteien", so die WASG. Wichtig sei es daher für die eigene Organisation, nicht nur "Rassismus und Rechtsextremismus zu verurteilen", sondern "mit der gleichen Schärfe die gesellschaftlichen Bedingungen zu attackieren, die den Rassismus fördern oder verursachen".


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