© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Angriff von rechts
Bulgarien: Schwierige Koalitionsverhandlungen / Sozialisten brauchen zwei Partner
Jörg Fischer

Weder die nach westlichen Methoden arbeitenden Umfrageinstitute noch die meist in der englischkundigen Oberschicht Bulgariens verkehrenden ausländischen Journalisten hatten es vorhergesehen: Die schon als Wahlsieger gefeierte postkommunistische BSP unter dem smart-gewendeten Parteichef Sergej Stanischew hat ebenso wie die bisherige Regierungspartei NDSW von Premier und Ex-Zar Simeon Sakskoburggotski bei den Parlamentswahlen letzten Samstag keine regierungsfähige Mehrheit erhalten.

Die BSP kam statt der prognostizierten 40 nur auf unter 32 Prozent (2001: 17,2 Prozent), die NDSW stürzte von 42,7 auf knapp 20 Prozent ab. Die 2001 mit 18,2 Prozent abgewählte antikommunistisch-bürgerliche Oppositionsbewegung SDS konnte sich auch nicht erholen. In drei Parteien aufgespalten, kam die ODS unter Ex-Außenministerin Nadeschda Michajlowa auf 7,8 Prozent, die "Demokraten für ein starkes Bulgarien" von Ex-Premier Iwan Kostow auf 6,5 Prozent und die Bulgarische Volksunion unter dem Sofioter Bürgermeister Stefan Sofianski erreichte nur 5,2 Prozent.

Die Koalitionspläne durcheinander würfelte mit 8,2 Prozent die erst vor anderthalb Monaten gegründete nationalpopulistische Partei Ataka (Angriff) von Wolen Siderow. Der 49jährige war ab 1990 Chefredakteur der inzwischen eingestellten SDS-Parteizeitung Demokrazija. Inzwischen moderiert er beim in Burgas gegründeten privaten Fernsehsender Skat-TV das Magazin "Ataka". Neben Berichten über die prekäre soziale Lage (der bulgarische Durchschnittslohn liegt bei 150 Euro) sind vor allem Themen wie "Zigeuner-Kriminalität" oder "Ausverkauf Bulgariens ans Ausland" die Quotenrenner. Als einzige Partei kritisierte Ataka scharf den Internationalen Währungsfonds und die Privatisierungen, agitierte gegen die Nato, geplante US-Stützpunkte sowie die Türken in Bulgarien. Zweiter Aufsteiger ist die muslimische DPS des Türken Ahmed Dogan, die schon sowohl der BSP als auch der NDSW als Mehrheitsbeschaffer diente: Sie legte von 7,5 auf 12,5 Prozent zu. Kurz vor der Wahl hatte Minister Dogan zahlreichen Zigeunersiedlungen ihre seit Jahren aufgelaufenen Stromschulden gestrichen.


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