© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Der Ritter ist zu kriegerisch
Streit um ein Gefallenenmal
Werner Olles

Seit über einem Jahr tobt in der evangelischen Talkirchengemeinde im Taunusstädtchen Eppstein in der Nähe Frankfurts ein handfester Streit um das Bildnis eines Ritters mit Schwert, das die Inschrift "Das Reich muß uns doch bleiben" trägt. Darunter stehen auf einer schwarzen Gedenktafel mit der Überschrift "Im Weltkrieg 1914-1918 starben für das Vaterland" die Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Eppstein und zwei kleinen Nachbargemeinden (JF 26/04). Für die Mehrheit des Kirchenvorstands und Pfarrerin Heike Schuffenhauer ist der mannshohe Ritter, der 1925 zur Erinnerung an die Gefallenen in einem Erker des Kirchenchors neben der Kanzel angebracht wurde, "nur sehr schwer zu ertragen". Daß es sich bei der Inschrift "Das Reich muß uns doch bleiben" um die letzte Zeile aus Luthers berühmtem Kirchenlied "Ein' feste Burg ist unser Gott" handelt, scheint die Kirchenfunktionäre nicht zu interessieren.

Eine eigens einberufene Versammlung der 1.900 Mitglieder starken Gemeinde sprach sich jedoch mit großer Mehrheit gegen die von der Pfarrerin und dem Kirchenvorstand geplante gänzliche Verhüllung des Standbildes aus. Allerdings sollte im Vorraum der Kirche eine zweite Tafel angebracht werden, auf der zusätzlich zu den gefallenen Soldaten der Weltkriege auch an die zivilen Opfer und an die getöteten Gegner des NS-Regimes erinnert wird. So weit, so gut!

Allerdings hat nun eine öffentlich tagende Arbeitsgruppe der Talkirchengemeinde einen neuen "Kompromißvorschlag" unterbreitet, nach dem das Ritterbildnis in Zukunft während Andachten und Gottesdiensten von einem Stoffüberhang verhüllt werden soll, da es nach dem Willen von Pfarrerin Schuffenhauer "dort eigentlich nicht hingehört". Laut Kirchenvorstand wolle man zwar die Erinnerung an die Opfer der Weltkriege nicht "auslöschen", der Ritter mit seiner stahlhelmähnlichen Kopfbekleidung werde jedoch von den Kritikern als "martialischer Soldat" interpretiert.

Inzwischen werden jedoch erste Proteststimmen hörbar, die diese "Kompromißlösung" als blanke Negierung der getroffenen "Pro Ritter"-Entscheidung der Gemeindemehrheit bezeichnen und dem Kirchenvorstand vorwerfen, dieser setze sich über den Beschluß der Gemeindeversammlung undemokratisch einfach hinweg. In einem Schreiben an den Vorstand spricht Hans-Dieter Wendt, Sprecher der Initiative zur Aufrechterhaltung des Gefallenendenkmals in der Talkirche, von "ideologischer Verblendung der Mehrheit des Kirchenvorstands" und warnt gar vor einer "weiteren Kirchenspaltung".

Wenn am 13. Juli im Kirchenvorstand über den "Kompromiß" abgestimmt wird, wird sich zeigen, ob es den Kirchenfunktionären gelingt, gegen den erbitterten Widerspruch der Gemeindemitglieder ihre Pläne durchzusetzen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen