© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Frisch gepresst

Räume. Nicht die zumindest in Deutschland immer noch "kontaminierte" Geopolitik ist wieder in Mode gekommen, aber das Gespräch über den Raum beginnt unter Kultur- und Sozialwissenschaftlern intensiver geführt zu werden. Der Historikertag, der im Herbst 2004 in Kiel stattfand, erwies diesem Trend bereits seine Reverenz. In diesen Kontext passen denn auch die im neunzehnten Jahrhundert einsetzenden Beiträge zur Geschichte der Globalität, die Iris Schröder und Sabine Höhler als Herausgeberinnen unter dem Titel "Welt-Räume. Geschichte, Geographie und Globalisierung im 19. Jahrhundert" (Campus, Frankfurt/M. 2005, 323 Seiten, Abbildungen, gebunden, 34,90 Euro) versammeln. Zeitgeschichtlich beachtlich ist dabei der Aufsatz des Berliner Geographiehistorikers Hans-Dietrich Schultz über "Das Europa deutscher Geographen" sowie Guntram H. Herbs Studie "Von der Grenzrevision zur Expansion: Territorialkonzepte in der Weimarer Republik".

Sechzig Jahre CDU. Gerade rechtzeitig zum Jahrestag des Berliner Gründungsaufrufes der CDU im Juni 1945 hat der wissenschaftliche Leiter der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Günter Buchstab, eine historische Betrachtung der Union angestrengt. Dabei reflektiert er mit seinem der KAS zuzurechnenden Beiträgerstab die Geschichte der Union sowie besondere "Weichenstellungen" ihrer Jahrzehnte zwischen Sozialer Marktwirtschaft, Deutschlandpolitik und deutsch-französischen bzw. europäischen Bestrebungen. Natürlich darf die heute ins Parteikonzept passende Feststellung nicht fehlen, daß sich die im Gegensatz zur alten Tante SPD nach dem Krieg neugegründete Formation immer schon als "Partei der Mitte" definiert habe, die allenfalls die "politische Einschmelzung rechter Kräfte" betrieben habe - die Bundesrepublik ergo schon seit 1949 ein ähnlich seltsam ausgebildetes Links-Mitte-Mitte-Parteienspektrum besessen habe wie heute. Löblich sind die im Anhang komprimiert dargestellten Parteiprogramme, Führungspersonen und Wahlergebnisse der Volkspartei (Brücke in eine neue Zeit. Herder Verlag, Freiburg i. Br. 2005, 374 Seiten, broschiert, 15 Euro).

Netzwerk Terrorismus. Vor zwei Jahren veröffentlichte der spanische Politologe Fernando Reinares einen Aufsatz über den aus seiner Sicht "global vernetzten" Terrorismus. In seiner nun vorliegenden deutschen Übersetzung pflichtet der Journalist Hans Leyendecker der Süddeutschen Zeitung dieser Interpretation in seinem Nachwort weitgehend bei und mahnt zur Gegenwehr. Zwar nennt Reinares viele überzeugende Gründe, woran sich diese Vernetzung deutlich macht (Ausbildung, Bezug der Waffen, Zusammensetzung von Terrorgruppen). Trotz allem beantwortet er die Frage nach dem Antrieb dieses Phänomens mit dem gern bemühten "clash of civilisa-tions" etwas schemenhaft - nährt sich doch der Terror vielfach, etwa in Tschetschenien oder dem Baskenland, aus konkreten politischen Ursachen (Terrorismus Global. Aktionsfeld Europa. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005, 119 Seiten, 16,80 Euro).

Nationale Analyse. Tatsächlich darf man auf Paul M. Sterns Bestandsaufnahme der deutschen Gesellschaft das oft strapazierte Adjektiv "schonungslos" anwenden. Von instrumentalisierter Geschichtspolitik über den demographischen Niedergang, der Krise demokratischer Institutionen, der Reformunfähigkeit bis hin zur Problematik der Einwanderung, deren islamische Facette laut Stern kaum integrierbar sei, schöpft der "langjährige Beobachter des politischen Betriebes in Bonn und Berlin" in der Tat aus einem beachtlichen Fundus intimer Kenntnisse, was auf ein Autorenpseudonym deuten läßt (Von Deutschland nach Absurdistan. Verwandlung einer Nation. Aton Verlag, Unna 2005, 476 Seiten, gebunden, 28,50 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen