© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/05 08. Juli 2005

In der Woche danach
Lehren aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur JF-Beschwerde
Doris Neujahr

Die Bedeutung des Urteils, das vom Bundesverfassungsgericht in der Causa JUNGE FREIHEIT vs. NRW-Verfassungsschutz erlassen wurde, ist eine grundsätzliche. Es hat eine Menge klargestellt. Erstens: Noch leben wir in keiner rot-grünen oder antifaschistischen Bananenrepublik, denn die Institution des höchsten Gerichts ist intakt. Und sie ist nicht die einzige. Auch das Amt des Bundespräsidenten hat dank Horst Köhler eine Bedeutsamkeit erlangt, von der man beim Abgang seines derangierten Vorgängers nicht zu träumen wagte. Der deutsche Staat verfügt über eine beträchtliche Fähigkeit zur Regeneration. Noch ist nicht aller Tage Abend!

Zweitens: Die Versuche, den Verfassungsbogen auf eine linksliberale, antifaschistische usw. Definition von Staat und Gesellschaft mit den Mitteln von Geheimdienst und Justiz einzuschränken, sind illegal. Die mit der Pressefreiheit implizierten Rechte gelten auch für Zeitungen des rechten Spektrums. Die zwei NRW-Gerichte, die den vom Verfassungsschutz unternommenen Versuch, der JUNGEN FREIHEIT diese Rechte zu entziehen, sanktionierten, haben aus Karlsruhe ein paar scharfe Backpfeifen erhalten. Gerichte sind nicht dazu da, um einem entfesselten "Kampf gegen Rechts" zu assistieren. Trotzdem haben sich zwei Gerichtsinstanzen dazu hergegeben. Das muß Anlaß sein, künftig viel genauer hinzuschauen, ob und in welchem Maße Gerichtsurteile der unteren Ebenen politisch motiviert sind.

Drittens: Die "demokratische" oder "freie" Presse, die "vierte Säule der Demokratie", hat sich in der Causa JUNGE FREIHEIT als ein Totalausfall erwiesen. Nein, Totalausfall ist zu wenig. Erst dadurch, daß sie sich den Geheimdienstlern und deren politischen Strippenziehern als Transmissionsriemen zur Verfügung stellten, haben diese ihre volle, verfassungswidrige Wirkung entfalten können. Ihr Gerede von "Zivilcourage" oder der "Unteilbarkeit der Freiheit" wird man in Zukunft mit einem noch giftigeren Sarkasmus kommentieren müssen als bisher.

Aber es gibt auch etwas Positives: Jene Mehrheit der Journalisten, die zum Verfassungsschutz als einer Art Reichspressekammer aufschaute, indem sie seine Sprachregelung übernahm, hat ungewollt zum mentalen Lastenausgleich beigetragen. Es braucht schließlich nicht viel Phantasie, um sich ihr Verhalten unter DDR-Bedingungen vorzustellen. Die rühmlichen Ausnahmen aber sollen nicht vergessen werden: Es gab namhafte konservative, liberale und linke Journalisten, die zum Ausdruck gebracht haben, wie tief ihnen das Haberfeldtreiben des VS zuwider war.

Viertens: Die erwähnte systemimmanente Regenerationsfähigkeit verbietet den simplen Vergleich mit dem DDR- und dem NS-Staat. Die Parallele ist eine andere: In jedem System verhalten die Menschen sich mehrheitlich opportunistisch. Es kommt daher auf die Qualität des staatlichen Gefüges an. Appelliert das System an den "inneren Schweinehund", weil dieser die Grundlage für sein reibungsloses Funktionieren ist, oder ist es darauf angelegt, ihm gelegentlich Grenzen zu setzen? Das Karlsruher Urteil hat diese Frage klar beantwortet.

Fünftens: Freiheitlichkeit fällt nicht vom Himmel, sondern sie muß erkämpft werden.

Sechstens: Was immer man vom Verfassungsschutz hält - es gäbe eine Menge Aufgaben, die er anpacken könnte: Terrorismus, Fundamentalismus, organisierte Kriminalität, den "Krieg in unseren Städten" (Udo Ulfkotte), die Korruption. Sie beschädigen die Demokratie viel mehr, als die JUNGE FREIHEIT das selbst beim schlechtesten Willen jemals könnte. Nur werden dazu keine halbklugen, blassen Bürohocker benötigt, die papierne Windmühlen basteln und dann mit dem Mut des Heckenschützen zur Attacke blasen, sondern Spezialisten, die etwas können und riskieren.

Die neue CDU-geführte Landesregierung in Düsseldorf wird viel zu tun haben, um den Augiasstall, zu dem sich Teile der NRW-Behörde offenbar entwickelt haben, auszumisten und den Verfassungsschutz für die wirklich relevanten Aufgaben flottzumachen.

Siebtens: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy nennt das Urteil "unverständlich", denn die VS-Berichte hätten sich durch ein "hohes Maß an Differenziertheit" ausgezeichnet. Edathy leitet die Arbeitsgruppe "Rechtsextremismus" seiner Fraktion. Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts sind auch Teile seiner, nun ja, Arbeit indirekt als Müll disqualifiziert. Er ist bei weitem nicht der einzige antifaschistische Müllproduzent, der staatlich subventioniert wird. Auch auf diesem Feld ist ein drastischer Subventionsabbau fällig. Zum einen, weil das Geld knapp ist wie nie, zum anderen, weil die Degeneration des Politischen, die diese Desperados zum Schaden des Gemeinwesens vorangetrieben haben, endlich umgekehrt werden muß.

Die Voraussetzungen für eine Umkehr haben sich, achtens, mit dem Karlsruher Gerichtsurteil leicht verbessert. Rein zufällig, aber trotzdem bemerkenswert ist die Koinzidenz mit der Machterosion von Rot-Grün. Nun kommt es darauf an, die Chancen, die sich aus dieser Konstellation ergeben, zu ergreifen. Wir werden es versuchen. Einfach wird es nicht.


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