© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Die PDS führt das Kommando
Mauermahnmal: Museum für den Kalten Krieg soll nach der Räumung die Brache am Checkpoint Charlie ausfüllen
Clemens Taeschner

Nachdem die Mauerkreuze im Morgengrauen des 5. Juli im Auftrag der Bankaktiengesellschaft (BAG) Hamm geräumt und die nachgebauten Grenzmauern abgetragen worden waren, sieht es ganz danach aus, als ob die Gestaltung dieses Platzes von nun an unter der Ägide der SED-Nachfolgepartei PDS erfolgen wird.

Der für die Gedenkstättenkonzeption zuständige Kultursenator Thomas Flierl (PDS), der der Partei seit 1976 angehört, hatte bereits am Nachmittag des 4. Juli über die Kulturverwaltung des Senats einen Drei-Stufen-Plan für die künftige Nutzung des Areals öffentlich gemacht. Danach sollen bis Anfang August in einem ersten Schritt Bauzäune von drei Metern Höhe und insgesamt 360 Metern Länge das nun wieder brachliegende Areal einfassen. Darauf sollen Text- und Bildtafeln angebracht werden, die die "wechselvolle Geschichte" des Platzes dokumentieren, eingeschlossen die Aufstellung der 1.067 Mauerkreuze. In einer zweiten Phase, bis spätestens Ende Oktober dieses Jahres, soll "eine Freiluftausstellung" auf dem Gelände fertiggestellt sein. Fraglich ist derzeit noch die Finanzierung dieser Aktivitäten, die nach Bekunden des Kultursenators durch die Vermietung von Werbeflächen gesichert werden soll.

Wenn es nach den Plänen Flierls geht, würde in einer dritten Phase dann der Schlußpunkt gesetzt mit einem "Museum des Kalten Krieges". Dieses soll bis spätestens 2011 realisiert werden. Die Fläche hierfür soll mindestens 600 Quadratmeter betragen und in dem - dann von einem privaten Investor zu errichtenden - Gebäudekomplex im Erdgeschoß integriert sein. Die Auflage zum Bau einer Denkmalsstätte war bereits Bestandteil des Anfang 1992 geschlossenen Kaufvertrages mit einer Investmentfirma. In diesem wurde mit einem einzigen Satz auf die historische Situation Bezug genommen und eine Verpflichtung des Käufers festgeschrieben, derzufolge dieser eine angemessene Fläche für eine Freiluft-Mauer-Gedenkstätte unentgeltlich zur Verfügung stellen und die Kosten für die Gestaltung - in Absprache mit einer von dem Senat zu bennende Stelle - übernehmen sollte.

Die Konzeption des Senators stößt auf Kritik

Flierls Konzeption von einem "Museum des Kalten Krieges" stößt derweil auf vielfache Kritik, nicht nur auf Seiten der politischen Gegner. Selbst der Koalitionspartner im Berliner Senat, die SPD, findet die Namensgebung verdächtig. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) argwöhnt, daß dahinter die "beunruhigende Absicht" stehen könnte, die Schrecken der Mauer zu relativieren. Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende von Berlin, Michael Müller, äußerte "allergrößte Bedenken, am Checkpoint Charlie etwas neues zu erfinden". Seltsam an dieser Äußerung bleibt freilich die Bezeichnung "neues", vielmehr geht es hier wohl um ideologische Altlasten, die in der öffentlichen Gedenkkultur zementiert werden sollen. Für den Leiter der Gedenkstätte des ehemaligen Gefängnisses des Ministerium für Staatssicherheit in Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, ist das Museums-Etikett des "Kalten Krieges" ebenfalls verfehlt. Damit schiebe man die Schuld an der Mauer der Blockkonfrontation zwischen Ost und West in die Schuhe, während die Mauer in Wirklichkeit für den Repressionscharakter der DDR nach innen gestanden habe.

Andererseits scheinen sich alle im Parlament vertretenen Parteien, einschließlich der CDU, einig bei der von Flierl propagierten Favorisierung des Mauer-Dokumentationszentrums an der Bernauer Straße als zentraler Ort des Gedenkens für die Opfer des DDR-Grenzregimes. Ein Großteil der Opfer sieht diesen Ort allerdings als "Kranzabwurfstelle", durch den die zu Tode gekommenen Flüchtlinge nicht angemessen gewürdigt würden.

Weniger als diese Kritik trifft die CDU-Mitte mit ihrem Bürgermeister Joachim Zeller derweil ein anderes Problem. Angefeindet wird sie, weil auf dem angrenzenden Areal der Mauergedenkstätte ein Stück des dort noch vorhandenen Mauerstreifens für einen Sportplatz abgerissen werden soll. Die kulturpolitische Sprecherin der CDU in Berlin, Monika Grütters, hat ihre Bedenken angemeldet. Man könne sich nicht am Checkpoint Charlie anketten "und auf der anderen Seite den Abriß von originären Mauerteilen betreiben", sagte Grütters.

Die Emotionalität, die das Mauermahnmal mit den übermannsgroßen Kreuzen ausgelöst hatte, hat selbst viele Kritiker nicht unbeeindruckt gelassen. Was nun mit den Kreuzen geschehen wird, ist ungewiß.

Hildebrandt hat die Holzkreuze einlagern lassen

Alexandra Hildebrandt, die Initatorin des Mauerkreuze-Mahnmals und Leiterin des Museums am Checkpoint Charlie, hai die demontierten Kreuze im hauseigenen Archiv eingelagert und bemühi sich unvermindert um den Erwerb des Grundstücks. Die Öffentlichkeit werde man informieren, sobald man in dieser Geschichte weiter vorangekommen sei, sagte Hildebrandt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Für viele Berlin-Besucher aus Deutschland und aller Welt, die sich durch das Mauerkreuzmahnmal in ungeahnter Weise angesprochen gefühlt hatten, war es noch am Vorabend der Räumung völlig unbegreiflich gewesen, wie man so etwas tun könnte. Ungläubiges Kopfschütteln war bei den ausländischen Touristen die gängige Reaktion. Stellvertretend hierfür stehen die Äußerungen eines jungen Paares aus den Niederlanden. Die beiden bezeichneten die bevorstehende "Säuberungsaktion" als eine "falsche Geisteshaltung, erbärmlich, ungerecht, traurig und beschämend". Es sei als wollte man die Geschichte unsichtbar machen.


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