© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Zeitschriftenkritik: Deutsche Sprachwelt
Was Hänschen nicht lernt . . .
Werner Olles

Die bereits im 6. Jahrgang vierteljährlich erscheinende und vom Verein für Sprachpflege e.V. herausgegebene Deutsche Sprachwelt - Untertitel: "Die Plattform für alle, die Sprache lieben" - feiert mit ihrer aktuellen Sommerausgabe ihr fünfjähriges Bestehen. Im Jahr 2000 von Freunden der deutschen Sprache gegründet, hat die Zeitung im Laufe der Zeit immer mehr treue Anhänger gewonnen, ihre Auflage liegt derzeit bei bis zu 36.000, während die Zahl der Leser auf 80.000 geschätzt wird. Zwanzig Ausgaben sind bisher erschienen, in denen sich so prominente Schriftsteller wie Reiner Kunze, Lutz Rathenow und Dieter J. Baumgart, Politiker wie Christian Wulff, Ulrike Flach und Oskar Lafontaine und Wissenschaftler wie Rüdiger Safranski, Theodor Ickler, Hans-Manfred Niedetzky und Josef Kraus äußerten.

In der jüngsten Ausgabe erfährt der Leser unter anderem, warum die allermeisten Jugendlichen keine verenglischten Berufsbezeichnungen mögen und warum beispielsweise der Begriff "Salesmanager" in einer deutschen Firma lächerlich klingt, wenn damit doch eigentlich der "Verkaufsleiter" gemeint ist. So empfinden nur 18 Prozent der weiblichen und neun Prozent der männlichen Jugendlichen englische Berufsbezeichnungen attraktiver als deutsche Namen.

Ein weiterer interessanter Beitrag ist dem Buch Oskar Lafontaines "Politik für alle. Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft" entnommen. Der linke Politiker behauptet nicht nur, daß mit der Sprache auch "die Ideologie des angelsächsischen Neoliberalismus" übernommen wird, sondern zählt verschiedene Termini einer "Neusprache" auf: Job-Floater, Personal-Service-Agentur, Corporate Governance Codex und Shareholder Value, die vor einigen Jahren noch kaum jemand kannte. Aber auch Begriffe wie Ein-Euro-Job, Job-Aktiv-Gesetz, Ich-AG, Hartz IV oder Agenda 2010 seien nichts als "Schleierwörter" einer "in Wahrheit abgegriffenen Sprache". Während für Martin Heidegger die Sprache "das Haus des Seins" gewesen sei, benutzten die heutigen Meinungsmacher, Wirtschaftsführer und Politiker eine "falsche und verlogene Sprache". In diesen Zusammenhang gehöre auch die Übernahme vieler englischer Wörter in die deutsche Sprache als Indiz "der geistigen Unterwerfung unter die Großmacht USA".

Der Dichter Reiner Kunze berichtet über den bedrückenden sprachlichen Alltag an deutschen Universitäten. Nachdem ein befreundeter Bonner Geschichtsdozent über hundertvierzig Übersetzungsklausuren aus dem Englischen korrigiert hatte, stellte er erschüttert fest, daß die jungen Semester "nicht nur bar jeder historischen Kenntnis, sondern auch arm an Sprachphantasie und alltäglichen Redewendungen" seien. Ein Professor für Informatik an einer sächsischen Hochschule beklagte sich über die "profunde Unfähigkeit" der Mehrzahl seiner Studenten, "sich sprachlich einigermaßen zu artikulieren". Und im Leserbrief einer Wissenschaftlerin an die Frankfurter Allgemeine hieß es: "Die Texte des akademischen Nachwuchses, die ich das Vergnügen habe, ... lesen zu dürfen, sind in vielen Fällen einer Kulturnation unwürdig."

Anschrift: Deutsche Sprachwelt, Postfach 1449, 91004 Erlangen. Das Jahresabonnement kostet 10 Euro. Internet: www.deutsche-sprachwelt.de


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