© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/05 22. Juli 2005

Bezaubernde Fehlbesetzung
Ungereimt, aber liebenswert: Shainee Gabels Film "Lovesong für Bobby Long"
Claus-M. Wolfschlag

Nach dem frühen Tod ihrer Mutter Lorraine, kehrt die 17jährige Purslane Hominy Will (Scarlett Johansson) nach langer Abwesenheit in ihre Heimatstadt New Orleans zurück. Doch das geerbte Holzhaus ist mit den Jahren völlig heruntergekommen. Zudem muß sich Purslane mit zwei Alkoholikern herumschlagen, die sich in dem Haus eingenistet haben und behaupten, Mit-Erben des Vermögens zu sein: der alt gewordene ehemalige Literaturprofessor Bobby Long (John Travolta) und sein ehemaliger Schützling Lawson Pines (Gabriel Macht).

Purslane versteht es, das Haus schrittweise wieder wohnlich zu gestalten. Das Leben zwischen ihren Mitbewohnern gestaltet sich hingegen problematischer. Vor allem Bobby Long führt sich als schwer beschäftigter Intellektueller auf. Doch der Tagesablauf der Männer besteht nur aus kultiviertem Müßiggang mit Whiskey zum Frühstück. Mehr als einmal geraten deshalb das junge Mädchen und die alternden, verlorenen Lebemänner aneinander.

Der Aufenthalt in New Orleans ist für Purslane aber auch eine Reise zu ihren familiären Wurzeln. Sie erfährt von der allgemeinen Beliebtheit ihrer Mutter, einer Sängerin, von der sie sich schon früh entfremdet hatte. Und schließlich wird ihr die Identität ihres unbekannten Vaters offenbart.

Die 1969 in Philadelphia geborene Shainee Gabel legt mit "Lovesong für Bobby Long" ihr Regiedebüt vor. Fünf Jahre war sie mit der Vorbereitung des Streifens beschäftigt. Die auf dem Roman "Off Magazine Street" von Ronald Everett Capps basierende Geschichte wirkt inhaltlich ausgesprochen dünn und süßlich. Ein Mädchen muß sich mit zwei grummelnden Männern herumschlagen, dazwischen gibt es viel sentimentales Gerede über die verstorbene Mutter und einige Blues- und Jazzeinlagen. Das war's im Grunde.

Ungereimtheiten kommen hinzu. Wenn denn die junge Purslane erst 17 Jahre alt sein soll, sich an ihre Kindheit und die sie angeblich so sehr liebende Mutter kaum mehr erinnert, wann hat sie ihr Elternhaus denn verlassen? Und wo ist sie aufgewachsen? Bei ihrem gammeligen Ex-Freund und dessen Porno-Sammlung kann es kaum gewesen sein. Kurz: Auch der zeitliche Rahmen des Films stimmt nicht oder wird unzureichend verdeutlicht.

Daß der Film dennoch über liebenswerte Reize verfügt, liegt weniger an Kameraführung und schauspielerischer Kunst, als an der Stimmung der Drehorte. Diese befinden sich meist an der Peripherie von New Orleans und bringen die satte Schwüle und Entspanntheit der amerikanischen Südstaaten vorbildlich dem Betrachter nahe. Touristische Werbung bieten die gezeigten Idyllen jenseits der großen Reiseströme allemal.

Vor allem aber wirkt der Film durch eine bezaubernde Fehlbesetzung. Wie in Cate Shortlands unlängst angelaufenem Streifen "Somersault - Wie Parfum in der Luft", wo die blonde Abbie Cornisch - ein Engelswesen - die von der Gesellschaft geschmähte "Schlampe" Heidi spielt, so wurde nun wiederum eine blonde Schönheit bemüht, um den gefallenen Teenager zu verkörpern. Doch Engel wecken allenfalls die Schutzinstinkte der Kinobetrachter, niemand nimmt ihnen wirklich ab, sich für ein Bier oder aus purer Langeweile zwischen einigen Pornokassetten schnell mal auszuziehen. Nur in der Welt der Celluloidträume entfaltet die alte Symbolik eine ungebremste Wirkungsmacht.

Foto: "Lovesong für Bobby Long" wird somit vor allem durch Scarlett Johansson gerettet. Ob in Jeans und Turnschuhen oder in Abendrobe, man kann sich an dem 1984 in New York geborenen Nachwuchsstar ("Der Pferdeflüsterer", "Lost in Translation") kaum satt sehen.

Foto: Lawson Pines (G. Macht), Purslane Hominy (S. Johansson), Bobby Long (J. Travolta): Müßiggang


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