© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/05 29. Juli / 05. August 2005

Zeitschriftenkritik: Damals
Nero war besser als sein Ruf
Werner Olles

Gegründet 1969, erscheint Damals - Untertitel: "Das Magazin für Geschichte und Kultur" - vereinigt mit dem Magazin Geschichte bereits im 37. Jahrgang. Chefredakteurin ist Marlene P. Hiller, als Wissenschaftliche Beiräte der wohl populärsten und erfolgreichsten Zeitschrift dieses Genres fungieren die Historiker Eberhard Jäckel und Christian Meier, was wiederum dafür bürgt, daß allzu brisante und umstrittene Themen hier kaum vorkommen. Dennoch bieten die monatlich in Stuttgart erscheinenden Hefte geschichtlich interessierten Lesern eine Menge Diskussionsstoff.

So beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe als Titelthema mit Nero, jenem römischen Kaiser, der "aus der Rolle fiel". Doch obwohl Nero sich mit seinen Auftritten als Sänger, Schauspieler und Wagenlenker die Sympathien vieler Römer verscherzte, sollte man ihn nicht als "bloßen Spinner und grausamen Potentaten" darstellen oder ihn auf seine Rolle als Initiator der ersten Christenverfolgung reduzieren, weil dies viel zu kurz greife. Als Politiker hat der vielgescholtene Herrscher nämlich keineswegs versagt, schreibt der Historiker und Nero-Biograph Gerhard H. Waldherr.

Ein weiterer Beitrag befaßt sich mit dem Philosophen und Politiker Seneca, Neros Erzieher und Ratgeber. Seneca lehrte stoische Bescheidenheit und war doch dank Nero einer der reichsten Männer Roms. Sein luxuriöses Dasein verteidigte der philosophierende Multimillionär in seinem Werk "De beata Vita" (Vom glücklichen Leben) mit der klugen Bemerkung, Reichtum sei keine Schande, denn "der weise Mensch hat, wenn er ein Vermögen besitzt, mehr Mittel, seinen Geist zu entwickeln". Man dürfe sich nur nicht von seinem Reichtum blenden lassen, sondern müsse darauf achten, seine innere Unabhängigkeit zu bewahren. Auch müsse man jederzeit wieder auf die angehäuften Reichtümer verzichten können. Schließlich wurde auch er ein Opfer seines Schülers, der ihn zum Suizid zwang. Nach der Lehre der Stoa gehörte Selbstmord zu den erlaubten, in bestimmten Situationen sogar erwünschten Praktiken.

Ein Porträt der Schriftstellerin George Sand (1804-1876) zeigt diese als Gestalt der französischen Geistesgeschichte, die zunächst mit Romanen, Reiseerzählungen, Essays und Theaterstücken bekannt wurde und sich zunehmend zu einer der schärfsten Anklägerinnen der sozialen und politischen Verhältnisse im Frankreich der Restauration entwickelte. Balzac, Liszt, Heine, Dumas und Musset zählten zu ihrem Freundeskreis, mit dem russischen Anarchisten Michail Bakunin stand sie im Briefwechsel, und Karl Marx glaubte in ihr eine Anhängerin gefunden zu haben. Doch George Sand stand eher auf der Seite französischen Sozialutopisten und bewegte sich eine Zeitlang im Kielwasser von Pierre-Joseph Proudhon, dessen Maxime "Eigentum ist Diebstahl" die Gutsbesitzerin Sand für sich selbst nicht allzu eng auslegte. Im Gegensatz zu Marx und Proudhon sah sie jedoch das Christentum nicht als Mitverursacher der sozialen Not, sondern als Möglichkeit, diese zu lindern mit dem Ziel einer gerechteren Gesellschaft auf dem Fundament christlicher Nächstenliebe.

Konradin Medien GmbH. Ernst May-Str. 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen. Einzelpreis: 7 Euro, Jahresabo: 81,50 Euro. Internet: www.damals.de


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