© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Kolumne
Zeit für ein Machtwort
Klaus Motschmann

Von Zeit zu Zeit erinnern die Medien daran, daß zehn bis fünfzehn Prozent der Deutschen angeblich über ein "geschlossenes rechtes Weltbild" verfügen, was alle "Demokraten" zum gemeinsamen "Kampf gegen Rechts" herausfordere. In diesem Kampf geriert sich die CDU als entschiedene Vorkämpferin. Seit Jahren legt sie Wert darauf, daß sich rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei etablieren dürfe. Sie dokumentiert damit ein bedenkliches Verfassungsverständnis, das sich offensichtlich mehr am vorherrschenden "antifaschistischen Grundkonsens" orientiert als am Grundgesetz. Danach ist die Gründung von Parteien frei, und über eine mögliche Verfassungswidrigkeit entscheidet das Verfassungsgericht.

Aber stellen wir uns trotzdem einmal für einen Augenblick auf diesen Standpunkt, dann stellen sich einige Fragen: Was hat die CDU bisher getan, um Mitglieder, Anhänger oder Wähler des sogenannten rechten Spektrums anzusprechen und auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen? Welche Möglichkeiten zur Mitarbeit in der CDU werden ihnen eingeräumt, beispielsweise durch die Bildung einer "konservativen Plattform" oder eines "rechten Forums", wie es die PDS praktiziert? Davon kann in der CDU keine Rede sein. Es genügt für diesen Zusammenhang der Hinweis auf die Affäre Hohmann. Mit welchen konkreten Aussagen spricht die CDU überdies konservative Christen beider Konfessionen an, die schon seit Jahren nach der Bedeutung des "C" fragen? Immerhin hat inzwischen sogar ein Kardinal die CDU öffentlich aufgefordert, zur Vermeidung von Irritationen das "C" aus dem Parteinamen zu streichen. Man sollte annehmen, daß diese Aufforderung ernst genommen werden sollte, sowohl aus langfristigen strategischen als auch kurzfristigen wahltaktischen Gründen. Dazu genügten bereits einige klare Aussagen etwa zu den Themen "Europa", "multikulturelle Gesellschaft" oder "Entchristlichung der Gesellschaft". Statt dessen verhakelt sich die CDU in unfruchtbaren Auseinandersetzungen über Mehrwert- und Erbschaftssteuer und Brutto- und Nettolöhne, die keinen dauerhaften Beitrag zur Lösung der grundsätzlichen Problemen bieten. Damit wird der schlimme Eindruck erweckt, daß die CDU sich die Themen stellen läßt und auf eigene originäre Beiträge verzichtet. Mit dieser Haltung läßt sich möglicherweise ein Regierungswechsel, nicht aber der notwendige Machtwechsel erreichen. Macht bedeutet nämlich die Fähigkeit, eigenen Willen gegen fremden Willen mit Erfolg durchzusetzen. Noch ist Zeit, ein Machtwort zu sprechen.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste in Berlin.


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