© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Die Woche
Links und Rechts
Fritz Schenk

Eigentlich könnten - nein, müßten - die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern ganze Abteilungen ihrer Behörden schließen, nämlich die, welche den "Kampf gegen Rechts" führen sollen. Es sei denn, sie nähmen ab sofort die Union aufs Korn. Denn das haben CDU und CSU erreicht, daß sie durch fast bedingungs- und unterschiedsloses Einschwenken in Schröders "Aufstand der Anständigen" den rechten Rand des deutschen Parteienspektrums mit weggedrückt haben. Wir haben immerhin Bundestagswahlkampf. Doch wo hört und sieht jemand etwas von den Parteien der Rechten? Sie sind zu bedeutungslosen Splittergruppen degeneriert, die von kaum jemandem ernst genommen werden.

Das ist wahrlich kein Verlust. Ihr nur in die Vergangenheit gerichteter Blick, dies auch noch mit verkleisterten Sichtweisen auf das NS-Regime und seine Hinterlassenschaft, können kein Ausweis für heutige Ansprüche an politischen Gestaltungswillen sein. Und daß man mit Springerstiefeln und schwarz gekleideten Glatzköpfen wieder wie einst Ernst Thälmann und Adolf Hitler Massen auf die Straße bringen und Revolutionskriege inszenieren könne, war und ist ein noch größerer Irrglaube. Daher wurden sie auch nur wahrgenommen durch das Lamento, das immer wieder von der Linken gegen sie in Szene gesetzt worden war. Die "Antifaschismus"-Keule der Kommunisten wurde nur allzu bereitwillig auch immer wieder von der demokratischen Mitte in die Hand genommen. Siehe Fälle wie Ernst Nolte, Martin Walser, Philipp Jenninger, Steffen Heitmann, Martin Hohmann und jetzt der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm.

So hat sich also das politische Spektrum in Deutschland Schrittchen für Schrittchen verändert. Die "Linke", das sind nun klammheimlich "anerkannt" die in ihrer Kernideologie standhaft gebliebenen Kommunisten. Kaum jemand spricht noch aus, was sie tatsächlich sind, nämlich die "extreme" Linke. Und für den 1952 verstorbenen SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher waren sie sogar die "rot lackierten Nazis" (nicht "Faschisten", den Ausdruck hatte er nie benutzt).

Die SPD, seit August Bebel und Friedrich Ebert stolz darauf gewesen, die demokratische Linke zu sein, hat, obwohl nach Helmut Schmidt immer weiter nach links gedriftet, mit Schröders Wortakrobatik die Mitte besetzt. Und die Union ist mit einem Mal die Rechte geworden. Sie hat die Mitte praktisch kampflos preisgegeben. So wollte es schon Willy Brandt Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gedeutet wissen, wogegen sich damals noch entschiedener Protest der Union erhoben hatte.

Nun wäre es für die politische Hygiene und Stabilität in Deutschland dringend förderlich, wenn die Union das rechte Etikett annähme. Denn selbstverständlich gibt es wie in jedem demokratischen Gemeinwesen auch in Deutschland eine demokratische Rechte. Zumindest die Hälfte der Befragten bei Meinungstests ordnen sich eher als "rechts" denn als "links" ein. Das liegt mit vierzig bis fünfzig Prozent von Nichtwählern ungefähr dort, wo nicht dem Zeitgeist verfallene, konservativ, das heißt dem "Erhaltenswerten" zugewandte Staatsbürger ihre politische Heimat und bürgerschaftliche Vertretung sehen möchten. Diesen Fundus gibt die Union preis, wenn sie sich in eine Rangelei um die in Wahrheit linke Mitte ziehen läßt, die sie nie gewinnen kann.


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