© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

BRIEF AUS BRÜSSEL
Auf die Deutschen kommt es an
Andreas Mölzer

Die türkische Regierung setzt ihre sture Haltung fort und weigert sich weiterhin, das EU-Mitgliedsland Zypern anzuerkennen. Premier Recep Tayyip Erdogan prahlte, sein Land werde keine neuen Bedingungen für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen akzeptieren. Ankara habe, so die offizielle türkische Auffassung, alle Verpflichtungen für den Verhandlungsstart erfüllt.

Ein beitrittswilliger Staat will die Bedingungen für die Aufnahme in den "europäischen Klub" diktieren, und ebendieser Klub hat sich gefälligst zu fügen. Das Verhalten der Türken im Vorfeld von Beitrittsverhandlungen bietet auch einen Vorgeschmack darauf, was den Europäern droht, sollten sie Ankara tatsächlich in die EU aufnehmen. Dann nämlich würden nicht mehr in Brüssel, sondern in Ankara die Weichen für den EU-Zug gestellt werden.

Dominique de Villepin hat dieses Bedrohungspotential offenbar klar erkannt. Der französische Premier richtete Erdogan unmißverständlich aus, daß der für den 3. Oktober geplante Beginn der Beitrittsgespräche verschoben wird, wenn Ankara Zypern bis dahin nicht anerkannt hat.

Der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn versucht indessen, den Gegnern des Türkei-Beitritts Beruhigungspillen zu verabreichen. So prangerte der Finne in einem Schreiben an die türkische Regierung die "mangelnde Religionsfreiheit" an. Gleichzeitig warnte der Liberale aber oberlehrerhaft davor, die Vereinbarungen mit der Türkei über den Beginn von Beitrittsgesprächen zu brechen. Brüssel versteht sich also nicht als Anwalt der europäischen Völker und der Bürger Europas, sondern als Anwalt der Beitrittsinteressen der Türken.

Wenn die Deutschen am 18. September zu den Wahlurnen schreiten, werden sie nicht nur über den Bundestag, sondern indirekt auch über die EU-Mitgliedschaft der Türkei entscheiden. Wenn dann, wie bislang erwartet wird, Angela Merkel den "Türkenfreund" Gerhard Schröder als Bundeskanzler ablösen wird, könnte den selbstherrlichen Türken ein rauherer Wind entgegenwehen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Pastorentochter aus dem Norden ihre Versprechen wahr macht und sich gegen einen Türkei-Beitritt querlegt.

Im französischen Premier de Villepin, dem zuletzt Ambitionen und Chancen auf die Nachfolge des angeschlagenen Präsidenten Jacques Chirac nachgesagt werden, hätte sie dabei einen mächtigen Verbündeten. Der stotternde deutsch-französische Motor könnte auf diese Weise zur Verhinderung eines Türkei-Beitritts und damit zum Wohle Europas wieder flottgemacht werden.

Um ihren bisherigen Ankündigungen besondere Glaubwürdigkeit zu verleihen, müßte Merkel, wie mehrfach kolportiert wird, Edmund Stoiber zum Außenminister machen. Denn dieser stellte zuletzt wieder einmal klar, daß die Türkei niemals Vollmitglied der EU werden kann.

Mit dieser Linie unterscheidet sich der Bayer klar von (Noch-) Außenminister Joseph Fischer, dem der Beitritt gar nicht schnell genug gehen kann. Zu seiner Verhinderung könnte es also auf die Deutschen ankommen: Einerseits müßten sie die "türkeihörige" rot-grüne Regierung klar abwählen. Andererseits müßte eine neue, unionsgeführte Regierung ihre Wahlkampfversprechen erfüllen und zu den türkischen Forderungen konsequent "Nein" sagen.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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