© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Wer will schon eine Elefantenzunge naschen?
Genforschung: Warum Katzen jede zerknautschte Hausmaus besser schmeckt als das prächtigste Stück Sachertorte
Robert Backhaus

Endlich mal eine gute Nachricht: Katzen sind gar keine Naschkätzchen, zumindest was Süßigkeiten betrifft. Man muß nicht fürchten, daß sie einem mit ewigem Betteln um Zucker- oder Sacharinsachen auf die Nerven gehen. Ihnen fehlt, wie ein Team von Wissenschaftlern um Xia Li und Joseph Brand vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia (US-Bundesstaat Pennsylvania) herausgefunden hat, mindestens ein halbes Gen, um überhaupt Süßes wahrnehmen zu können. Dasselbe gilt auch für Tiger und Geparden. Veröffentlicht wurde dieses Ergebnis jetzt in der Online-Fachzeitschrift für genetische Forschung, PLoS Genetics.

Die für ihre Empfindlichkeit berühmten Katzenzungen sind garantiert frei von Rezeptoren für Süßigkeiten. Das unterscheidet sie von den Zungen der doch um so vieles größeren Pferde oder Elefanten, die ungeheuer fein auf Süßigkeiten reagieren. Ein Zuckerstückchen kann gar nicht klein genug sein, um nicht auch noch vom gewaltigsten Elefanten flehentlich erbettelt und dankbarst akzeptiert zu werden. Jeder Zoobesucher weiß das und rüstet sich mit Würfelzucker fürs Elefantenhaus.

Was aber die Katze betrifft, so ist ihrem ästhetischen Empfinden jede zerknautschte Hausmaus lieber als das prächtigste Stück Sachertorte. Angeblich sind Katzen geschmackvolle, reinliche Tiere, die zierliche, gemütliche Verhältnisse lieben. Doch in Wahrheit steckt in jeder von ihnen ein Kaputtmacher. Alle wollen nur Blut sehen und lebendige Formen zerfetzen.

Fast wie Hohn wirkt deshalb der bekannte Einfall von Süßwarenherstellern, eine bestimmte Art von Schokolade ausgerechnet als "Katzenzungen" auf den Markt zu bringen. Die moderne Genetik hat es jetzt unwiderlegbar zutage gefördert: Es gibt keinen größeren Unterschied als den zwischen echten, realen Katzenzungen und schokoladigen "Katzenzungen".

Was aber folgt daraus? Sollten die Schokoladehersteller nun den Namen ihres Naschwerks ändern, beispielsweise Pferde- oder Elefantenzungen statt Katzenzungen? Die kleinen Kunden blieben dann wohl aus. Süßigkeiten brauchen eben einen niedlich-süßen Namen, bevor sie schmecken können. Daran ändern auch Genetiker nichts.


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