© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Foltern als Strategie
Historisch keine Einzelfälle
Werner Olles

Nach dem großen Erfolg seines Buches über "Die CIA und das Heroin" (JF 3/04) legt Alfred W. McCoy, Professor für Geschichte an der Universität von Wisconsin und seit über dreißig Jahren einer der profundesten Kenner der internationalen US-Politik, mit seinem neuen Werk abermals eine Studie vor, die sich kritisch mit den Machenschaften des US-Geheimdienstes CIA und des Militärs befaßt.

Beginnend mit den die amerikanische Öffentlichkeit erschütternden, vom Fernsehsender CBS ausgestrahlten Bildern aus dem irakischen Militärgefängnis Abu Ghraib, erzählt der Autor die Geschichte der Foltermethoden der Central Intelligence Agency (CIA), die im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre ständig perfektioniert wurden und heute - weithin unentdeckt oder verleugnet - längst zur gängigen Praxis gehören.

Was als "isolierter Mißhandlungsfall" vereinzelter "sadistischer Soldaten" von den führenden Politikern und Militärs schon bald ad acta gelegt werden sollte, wuchs sich jedoch innerhalb nur eines halben Jahres zu einem handfesten Skandal aus: Recherchen der amerikanischen Presse brachten ans Licht, daß Mißhandlungen nicht nur in Abu Ghraib stattgefunden hatten, sondern in US-Militärgefängnissen auf der ganzen Welt.

Dabei stützt sich das neue Folterparadigma der CIA nicht mehr auf physische, sondern zunehmend auf psychologische Mittel. Der Autor bezeichnet diese neuen Methoden als "berührungslose Folter", die in der Regel mit "selbst zugefügtem Schmerz" und mit "sensorischer Desorientierung" arbeitet. In dieser Kombination stellen die beiden Methoden einen Generalangriff auf die Existenzgrundlage der Persönlichkeit dar: auf Gehör, Sehvermögen, Zeitgefühl, Überlebenswillen, individuelle, geschlechtliche und kulturelle Empfindlichkeiten und Besonderheiten.

Die brisante Frage, ob Folter möglicherweise sittlich geboten sein kann, falls - etwa durch die Verhinderung eines Anschlags - zahlreiche Menschenleben gerettet werden können, stellt der Autor leider nicht.

Alfred W. McCoy: Foltern und foltern lassen. 50 Jahre Folterforschung und-Praxis von CIA und Militär. Zweitausendeins. Frankfurt 2005, 257 Seiten, broschiert, 14,9O Euro


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