© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Leserbriefe

Zu: "Vertreibung ist ein Verbrechen", Interview mit Krisztián Ungváry, JF 30/05

Fehl am Platze

Krisztián Ungváry, der in einem der Gremien des Zentrums gegen Vertreibungen mitarbeitet, ist auf dem Auge, das auf die westlichen Siegermächte blickt, mindestens stark sehbehindert. Man muß nicht Caspar von Schrenck-Notzings "Charakterwäsche" gelesen haben oder andere einschlägige Werke, um zu wissen, daß, wer sich mit einem Massenmörder einläßt, um den anderen zu vernichten, mindestens zum Hehler wird. Es ist also nicht "Demagogie", dem Westen anzulasten, was er selbst Vertreibungsverbrechen nennt. Daß diese Siegermächte dann hilflos waren, liegt in der Natur des Umgangs mit Verbrechern.

Der Bund der Vertriebenen wäre gut beraten, sich auf die Sammlung und Bewahrung der Zeitzeugnisse der Opfergenerationen und der Dokumente aus 700 Jahren deutscher Osten zu beschränken, darüber hinaus den Nachkommen eine Mahn- und Erinnerungsstätte zu schaffen, statt sich vor den Karren "wissenschaftlicher" Untersuchungen spannen zu lassen, die nur der Akzeptanz derer dienen sollen, die bei diesem, unserem ureigenen Anliegen ohnehin fehl am Platze sind.

Dietlinde Bonnlander, Imst/Österreich

 

 

Zur Kolumne Pro&Contra "Leinenzwang für alle Hunde", JF 30/05

Kämpfe auf  Nebenschauplätzen

Ihr Pro&Contra über den Leinenzwang zeigt deutlich, welche Auswirkungen die Politik der vergangenen Jahre in der Gesellschaft hinterlassen hat. Nach der "Teile und herrsche"-Manier werden in letzter Zeit Randgruppen gegeneinander aufgehetzt, indem die von der Political Correctness willkürlich "Verurteilten" in inszenierten Medienkampagnen so lange angegriffen werden, bis die "besorgte" Politik durch Gesetzgebungen deren Bürgerrechte einschränkt. Den Anfang machten die Raucher, in Hamburg und Berlin sind es jetzt die Hundehalter, andere Bundesländer ziehen nach, bald sind es die Kinderlosen, wen trifft die staatliche Gängelung als nächstes?

Das Reizthema Hund (ob 0,02 bis 0,002 Prozent Beißgefahr, sogenannte gefährliche Rassen oder Hundehäufchen) kam in einer Zeit auf, in der die große Politik nichts Ernsthaftes zu bieten hatte außer solchen Kämpfen auf Nebenschauplätzen. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es ohnehin nie geben. Vielleicht sollten wir wegen ein paar Kinderschändern alle Männer vorsorglich kastrieren oder das Auto wegen der Unfalltoten verbieten (oder nur willkürlich einige, wie bei den Hunderassen)?

Kersti Wolnow, Eversen-Heide

 

 

Zur Meldung "Deutsche Partei", JF 30/05

Selbstgefälliger Schluß

Die Mitteilung der hochgeputschten "DP-Bundesvorsitzenden" Claudia Wiechmann, wonach "der politische Weg des ehemaligen Parteivorsitzenden Heiner Kappel in der Partei beendet" sei, ist meines Erachtens eine gezielte Falschinformation. Denn es ist kaum vorstellbar, daß Frau Wiechmann samt ihren Rechtsberatern allen Ernstes zu dem selbstgefälligen Schluß kommen konnte: "Das Urteil ist eindeutig" und deshalb als "Sieg" zu feiern. Gemeint ist die Abweisung des Antrages auf eine einstweilige Verfügung. Jeder in etwa Rechtskundige weiß von der Vorläufigkeit einer solchen Entscheidung, und nur im Anschlußverfahren, in dem in der Hauptsache verhandelt wird, kann über die Erfüllung vermeintlicher Rechtsansprüche entschieden werden. Übrigens hat der zuständige Richter erwartungsgemäß erklärt, daß die "Absetzung" des Bundesvorsitzenden Heiner Kappel durch den sogenannten "kommissarischen Vorstand" nach dem Parteiengesetz nicht zulässig war. Damit wurde indirekt die Entscheidung des DP-Bundesschiedsgerichts bestätigt.

Deshalb darf die zu erwartende Entscheidung des Kammergerichts Berlin mit der begründeten Hoffnung verbunden werden, daß die altehrwürdige Deutsche Partei, die 1866 von bedeutenden Nationalliberalen wie Karl Theodor Welcker und Gustav Freytag gegründet wurde, bald wieder unter legaler Leitung ihren guten Weg fortsetzen kann.

Karl Betz, Reiskirchen

 

 

Zu: "Pankraz, Kardinal Schönborn und die Neo-Darwinisten", JF 30/05

Gewollte Auseinandersetzung

Tatsächlich scheint es so, als suchten manche Evolutionswissenschaftler geradezu den Konflikt mit der Kirche, um auch in philosophisch-theologischen Fragen einen Vorrang der Naturwissenschaften zu erreichen, und nehmen dabei die Äußerungen des Kardinals Schönborn nur zum Vorwand für eine gewollte Auseinandersetzung. Dabei ist die Führung der katholischen Kirche auch aufgrund ihrer Erfahrungen in der Vergangenheit viel zu klug, um eine offene Konfrontation mit den Darwinisten zu wagen und göttliches Wirken nicht mehr vom Glauben, sondern wissenschaftlicher Beweisbarkeit abhängig zu machen. Vielmehr kommt der Eindruck auf, daß es sich bei den scharfen Bemerkungen der Neo-Darwinisten um eine bewußte Überschreitung der Grenzen wissenschaftlicher Erforschbarkeit handelt, um den Einfluß auf die Gebiete jenseits ihres Zuständigkeitsbereichs zu erweitern.

David Deters, Mülheim/Ruhr

 

 

Zu: "Pisa und die Angst vor der Wahrheit" von Josef Kraus, JF 30/05

Finnische Anderwelten

"Sechzig Prozent aller ... Schulen kommen mit bis zu sechs Lehrkräften aus. Da geht es natürlich viel familiärer zu. ... In der Regel sind weniger als zwanzig Kinder in einer Klasse, wenn es mehr sind, hat die Lehrkraft noch einen Assistenten. Als ich 1997 mit meinen Schulbesuchen angefangen habe, stand in vielen Schulzimmern für den Lehrer ein erhöhtes Katheder. Der Normalfall war ein Frontalunterricht, mit dem jeder deutsche Lehramtskandidat in seiner Prüfung durchgefallen wäre. Aber außer an den Universitätsschulen wird nach wie vor recht konservativ unterrichtet. Das Geheimnis des Erfolges kann also keinesfalls in besonders modernen Lehrformen liegen. Wer nicht mitkommt, erhält Unterricht bei einem Förderlehrer, so viel und so lange wie nötig. In jeder Schule stehen außer dem Förderlehrer ein Schulpsychologe, ein Sozialarbeiter, eine Schulkrankenschwester und eben die Assistenten zur Verfügung. ... Es fällt kein Unterricht aus, weil es ein ausgeklügeltes Vertretungssystem gibt."

Diese Anderwelt ist Finnland, also keine Fiktion. Auskunft über die finnischen Schulen gab Thelma von Freymann in einem Interview der Frankenpost (7. November 2004). Anlaß für die Journalistin Katarina Schuler, die gebürtige Finnin über das "Bildungswunderland" zu befragen, ist Finnlands Platz eins bei zwei internationalen Bildungsvergleichen der Pisa-Studie. Es sind kompetente Informationen, da sich die Erziehungswissenschaftlerin intensiv mit dem finnischen Schulsystem beschäftigt hat. Zu kopieren gibt es da nichts, aber Impulse zum Nachdenken über unsere Schulzustände allemal. 

Ditmar Hinz, Berlin

 

 

Zu: "Weiter so, Deutschland" von Klaus Peter Krause, JF 29/05

Ist das konservativ?

Nachdem Angela Merkel in bezug auf ihre Ziele eher ein "Hü und Hott" spricht, schweigen die Konservativen dazu - oder flüchten. Fazit: Die CDU ist ein chaotischer Haufen ohne Durchsetzungsvermögen! Ausgerechnet Frau Merkel zur Kanzlerkandidatin zu küren, zeigt, in welch kläglichem Zustand die CDU ist! Wie soll so eine Partei uns aus dem rot-grünen Sumpf herausführen?

Aber wie groß muß der Klüngel sein, den Frau Merkel um sich geschart hat! Schaut nicht so sehr auf lukrative Pöstchen! Denkt mal an Deutschland! Es wäre dringend nötig, daß die Politiker, die sich dem Volke verpflichtet fühlen, und die Nicht-Linken in der CDU mal Klartext reden! Von Linken haben wir nämlich die Nase voll! Merken Sie sich das, Frau Merkel! Übrigens hat es Niedersachsens Christian Wulff Angela Merkel gleichgetan: erst groß tönen gegen die Rechtschreibreform - und dann bei der Abstimmung "umfallen"! Ist das konservativ? Na, danke! Und Herr Ronsöhr als angeblich Konservativer will auf "Strömungen" Rücksicht nehmen, statt konservative Ansichten durchzusetzen! Ist er Politiker oder verständnisvoller Vater für die Rangeleien seiner "Kinder"?

Christine Wellmann, Wertheim/M.

 

 

Zu: "Es droht auch der Einsatz unkonventioneller Waffen", Interview mit Peter Scholl-Latour, JF 29/05

Versperrter Blick auf die Realität

Es ist unbegreiflich, weshalb die britischen Behörden sich so von der Entwicklung überraschen ließen. Multikulti-Mentalität hat wohl dort wie bei uns den Blick auf die Realitäten versperrt. Gilles Kepel ("Allah im Westen", Piper, 1996) hat doch schon vor einem Jahrzehnt geschildert, was sich in England tut oder anbahnt. Ausgehend von den damaligen Diskussionen um Salman Rushdie und Khomeinis Fatwa hatte der islamische Aktivist Dr. Kalim Siddiqui (indisch-pakistanischer Herkunft) mit Kameraden mit dem Aufbau einer radikalen muslimischen Aktion begonnen. Zuerst eine Großdemonstration in London mit angeblich ein bis zwei Millionen muslimischer Teilnehmer am 27. Mai 1989 als Hinweis auf den gegebenen Konfliktherd zwischen der verwestlichen Gesellschaft und den moslemischen Werten. Dann 1990 organisierte er Versammlungen zur Diskussion eines von ihm entworfenen "Muslimischen Manifests" und zur Vorbereitung eines "Muslimischen Parlaments" zur Sammlung der muslimischen Bevölkerung in Großbritannien, um die Ziele des Islam zu verfolgen. Zitat: "So befreit die britische Nationalität, sei sie durch Geburt oder Naturalisierung erlangt, den Muslim nicht von seiner Pflicht, sich am Jihad zu beteiligen: am bewaffneten Kampf in der Fremde oder durch materielle und moralische Unterstützung jener, die irgendwo in der Welt einen solchen Kampf führen".

Schließlich sei die Bekehrung von Nichtmuslimen Pflicht, besonders durch das Beispiel einer würdigen frommen muslimischen Lebensweise. "Dies kann nur geschehen, wenn es uns gelingt, mit der 'Integration' und der 'Assimilation' der Muslime im verderbten Sumpf des Lasters der westlichen Kultur Schluß zu machen." 

Walter Scharnagl, Bonn

 

Zusammenhänge ausgeblendet

Der Interviewer zitiert den Islamwissenschaftler Hans-Peter Raddatz, der es für einen weitverbreiteten Irrtum hält, "daß man den gewalttätigen Islamismus vom eigentlichen Islam trennen könne" - eine merkwürdige Äußerung aus dem Munde eines Wissenschaftlers, der zu differenzieren gelernt haben müßte. Sieht man einmal davon ab, daß er sich hier in einer ausgesprochenen Minderheitenposition in der Scientific Community befindet, geht aus diesen Äußerungen eine profunde Unkenntnis religionswissenschaftlicher Erkenntnisse hervor.

Indem er Religion jedes gesellschaftlichen Bezugs beraubt, kann er ein "Wesen" der Religion konstruieren, das es in der Realität gar nicht gibt. Spätestens seit Max Weber wissen wir, daß religiöse Lehre und Praxis ein höchst dynamisches Gebilde im gesellschaftlichen Kontext darstellt, das auf diesen häufig geradezu seismographisch reagiert. Die Radikalisierung islamischer Bewegungen steht hierfür exemplarisch. Durch die Verdinglichung religiösen Lebens zu einem "Wesen" gelingt es ihm, jeden Zusammenhang zwischen islamischer Religion und Globalisierung beziehungsweise Neokolonialismus auszublenden.

Franz Josef Piwonka, München

 

 

Zu: "Bis zum großen Knall" von Paul Rosen, JF 29/05

Endlich Kompetenz beweisen

Es ist wirklich kaum zu fassen, daß man die Terroranschläge nicht in den Griff bekommt und wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergreift. Was ist daran so kompliziert, daß es niemand wagt, mit Erfolg einzugreifen, und der Terrorszene das Fürchten beibringt?

Wie überall gibt es Meinungsverschiedenheiten, Streit, wobei man am eigentlichen Problem vorbeiredet, diskutiert, absolut nicht Positives erreicht - und diesen Hickhack spüren die Terroristen sehr genau, lachen darüber, freuen sich sehr, daß kein Gegenwind erfolgt, was sie auch veranlaßt, munter weiterzumachen, da ja ohnehin nichts zu befürchten ist, und ihr Machtgefühl ist enorm und unbeschreiblich. Ein großes Armutszeugnis ist das für die politischen Parteien. Der Meinung, daß verdächtige Ausländer schneller abgeschoben werden sollen, schließe ich mich an. Sie sollen keinerlei Möglichkeit zur Wiederkehr haben. Die politischen Parteien hierzulande sollten endlich Kompetenz, Mut beweisen und zur Gefahrenabwehr hart und unnachgiebig durchgreifen, um damit die Terrorszene in der Tat das Fürchten zu lehren.

Uta Fritzsche, Mönchengladbach

 

Allmählich aufwachen

"O Gläubige, nehmt weder Juden noch Christen zu Freunden; denn sie sind nur einer des anderen Freund ... Ihre Werke sind vergeblich, und sie gehören zu denen, welche untergehen werden." Das ist kein Zitat aus einer Rede von Bin Laden, sondern ein Ausschnitt aus der 5. Sure des Koran, dem heiligen Buch der Mohammedaner, so wie die Kinder es in den Koranschulen lernen. Vielleicht tragen die Bomben von Madrid und London ein wenig dazu bei, daß wir allmählich aufwachen. Wenn Joschka Fischer von einem "modernen Islam" schwafelt, dann weiß er bestimmt nicht, wovon er redet.

Es wäre ideal, wenn zwei Kulturen und Ideologien, die sich so überhaupt nicht verstehen (und verstehen können), möglichst weit auseinander leben. Es ist gut, daß diese Gegensätze bestehen, denn eine Massenvermischung wäre für unsere Identität eine Katastrophe.

Klaus Kubiak, Recklinghausen

 

 

Zu: "Münchhausen fliegt in Kaliningrad" von Bernhard Knapstein, JF 27/05

Sicherlich gut beraten

Die Idee Putins, Kanzler Schröder zum 750-jährigen Jubiläum der alten ostpreußischen Universitäts- und Ordensstadt Königsbergs einzuladen, verströmte einen anderen Geist als die Einladung zur Parade am 9. Mai in Moskau. Beiden Einladungen ist Schröder widerspruchslos gefolgt. Er war sicherlich gut beraten, seinen Besuch in der Geburts- und Wirkungsstadt Kants nicht von einer gleichzeitigen Einladung des polnischen und litauischen Staatspräsidenten abhängig zu machen, wie einige Unionspolitiker dies unreflektiert forderten. Die Verstimmung Polens und Litauens ist angesichts der Tatsache, daß beide Länder durch starke Investitionen einen Fuß in die Tür zur kränkelnden Exklave bekommen wollen, durchaus verständlich, jedoch historisch kaum berechtigt.

Die gemeinsame Begehung des 750. Geburtstages der ehemaligen preußischen Krönungsstadt am Pregel sollte keine schemenhafte Episode bleiben, sondern angesichts der prekären Lage der geschichtslosen Retortenstadt Kaliningrad zu Regelungen führen, die den jahrhundertenlangen guten deutsch-russischen Beziehungen mittels eines Friedensvertrages endlich wieder zu ihrem Recht verhelfen. Eine Weltinnenpolitik von "Global Players", die bereits weltweit neue Krisenherde geschaffen hat, wird dieser Vision, alte Wunden zu heilen, sicherlich keine Rechnung tragen können.

Roland Grassl, Bühl/Baden

 

 

Zu: "Ohne Staat geht es nicht" von Götz Kubitschek, JF 27/05

Klassischer Widerspruch

Kubitschek ist großes Lob zu zollen, daß er die Schwächen von Hoppes Gedankengebäude so deutlich aufgezeigt hat. Ich hätte mir aber gewünscht, daß er den größten und auffälligsten Schwachpunkt überhaupt und dazu etwas plastischer hervorgehoben hätte, nämlich die gewaltige Kumulation von Besitz, Geld und Macht bei Hoppes Sicherheits-Versicherungen, die zudem auch einen klassischen Widerspruch zur Eigentumsanarchie bilden.

Dies mag noch verzeihlich sein, schlimmer aber ist, daß Kubitschek einen Fehler Hoppes, den er selber kritisiert, gleich wiederholt. Ebensowenig wie ein "entfesselter Markt" ist nämlich ein Staat - und sei es einer nach preußischer Fasson! - aus sich selbst heraus imstande, die von Menschen als vernünftig angesehenen Regeln für ein gedeihliches Zusammenleben zu schaffen. Insofern ist der Staat vielleicht doch nicht so bedeutungsvoll, wie ihn Kubitschek gerne sieht, und hat die Vorstellung Hoppes von der Sezession bis hinunter zur Selbständigkeit des kleinsten Dörfchens doch mehr Berechtigung, als wir eben noch dachten?

Auf jeden Fall fehlt mal wieder ein deutlicher Hinweis auf die (staatstragende) Ethik, die wohl nur von außen kommen kann. Daß sich der Mensch mit seiner eigenen Vernunft befruchte, hält doch auch Kubitschek für Unfug.

H. M. Kretschmer, Engen


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