© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

Die Woche
Die Union demontiert sich selbst
Fritz Schenk

Das ist die Sachlage: Deutschland ist mit Null-Wachstum europäisches Schlußlicht bei der Wirtschaftsentwicklung. Mit knapp fünf Millionen Arbeitslosen - satt über zehn Prozent - liegen wir dagegen im oberen Drittel. Spitze sind wir auch in der Staatsverschuldung, seit vier Jahren verletzen wir den europäischen Stabilitätspakt. In der Oberliga spielen wir bei Firmenpleiten wie bei Auslandsverlagerungen von Arbeitsplätzen. Die Sozialkassen sind leer, Löcher werden über die schon überschuldeten öffentlichen Haushalte gestopft. Außenpolitisch haben wir uns so gut wie zwischen alle Stühle gesetzt - jenseits des Atlantiks wird uns kaum noch einer angeboten, in Europa sitzen wir hinter den Briten, Franzosen und Russen in der zweiten Reihe. Das sind nur die "Eckdaten", wie es neumodisch heißt, eine Generalbilanz müßte auf sehr dunklem Papier geschrieben werden.

Unsere Spitzenpolitiker kennen sie - am besten Bundeskanzler Gerhard Schröder. Das war ja doch wohl der Hauptgrund, weshalb er seinen Trick mit der vorgezogenen Neuwahl am 22. Mai landete: gewissermaßen der Offenbarungseid für seine Gesamt-"leistung". Keines seiner Ziele hat er erreicht. Allein, daß er nicht wert sei, wiedergewählt zu werden, wenn die Arbeitslosigkeit nicht deutlich unter vier Millionen sänke, sollte ausreichen, ihn beim Wort zu nehmen und in den vorgezogenen Ruhestand zu schicken.

Für kurze Zeit sah es aus, als käme es so. Die Chancen für Merkel und Co. standen bestens. Eine satte Mehrheit für Schwarz-Gelb schien möglich. War die Bilanz von Rot-Grün doch so erbärmlich, daß es fast keines Wahl- "Kampfes", sondern nur der permanenten Aufzählung der Realitäten bedurft hätte, um die Versager abzulösen. Doch wer das geglaubt hatte, hatte die Rechnung ohne die Union gemacht.

Die ist seit Ende der Adenauer-Ära schon immer gut für einen unterhaltsamen Kampf gegen sich selber gewesen. Diesmal nun ganz besonders. Da läßt sie sich von Bundeskanzler Schröder wieder, wie 2002 mit dem Irak-Konflikt nun mit dem iranischen Atomstreit, in ein verlogenes Schattenboxen um Krieg oder Frieden ziehen. Ein einziges Argument würde dem Thema den Boden entziehen: Wenn Schröder die be- schworene Kriegsgefahr tatsächlich sieht, müßte er den Wahlkampf Wahlkampf sein lassen, seiner Verantwortung als Noch-Kanzler gerecht werden und pausenlos zwischen Teheran und Washington hin- und herjagen, um die Streithähne zur Vernunft zu bringen. Außenpolitik ist Kärrnerarbeit und kein Palaver auf Marktplätzen.

Der bayerische "Kampfgefährte" Edmund Stoiber schießt die Böcke gleich im Rudel. Erst gegen die "Frustrierten" im Osten, dann mit den eigenmächtigen Namensnennungen für Angela Merkels (ohnehin nicht sonderlich attraktives) "Kompetenzteam". Dann läßt er sich auch noch auf einen Showkampf mit dem Oberdemagogen Oskar Lafontaine ein. Ausgerechnet jenem fahnenflüchtigen Schwätzer, dessen einzige Fähigkeit die ideologische Verdrehung von Sachverhalten und das Schüren von Haß, Neid und Mißgunst ist, will er damit bescheinigen, daß er tatsächlich ernstgenommen werden könnte und sollte.

So schmilzt denn der anfängliche Vertrauensbonus für Schwarz-Gelb wie Butter in der Sonne. Fraglich, ob Angela Merkel das bis zur Wahl am 18. September wieder umdrehen kann.


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