© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

"Eine deutsche Enklave errichtet"
Österreich: Eine schwarz-rot-goldene Fahne am Linzer Anschlußturm füllte das Sommerloch des "Kurier"
Bruno Burchhart

Die Linzer Kulturhistorikerin Edith Friedl traute ihren Augen kaum, als sie mit dem Auto am rechten Donauufer stadtauswärts fuhr. Unmittelbar vor der Stadtgrenze, am Dach des sogenannten Anschluß-Turmes der Vereinigung alter Burschenschafter Oberösterreichs, wehte gut sichtbar die deutsche Fahne - Schwarz-Rot-Gold. "Ich war erschüttert - es hat bei mir den Anschein erweckt, als ob in Linz eine deutsche Enklave errichtet worden sei", erklärte sie dem österreichischen Boulevardblatt Kurier.

Die zeitgeistige Tageszeitung nahm das Thema im nachrichtenarmen Sommer begierig auf und legte nach. Also zeigte sich der Vorsitzende des Oberösterreichischen Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus, Robert Eiter, empört: Was hier zum Ausdruck komme, sei "großdeutsch-völkische Ideologie - und die ist österreichfeindlich und staatsvertragswidrig".

Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - das sich seit 1963 nicht nur der NS-Verbrechen annimmt, sondern sich immer mehr vor allem dem "Kampf gegen Rechts" verschrieben hat - sah an der "Wallfahrtsstätte" ein "völkisches, deutschnationales und teilweise rechtsextremes Milieu" am Werk und betonte: "Jede Werbung für den Anschluß ist verboten." Die Gemeinderätin der Grünen, Gülcan Gigl, sah eine "Zumutung für die Bürger". "Grundsätzlich ist gegen das Anbringen einer deutschen Fahne nichts einzuwenden. Doch wenn eine farbentragende und Mensur schlagende Burschenschaftsverbindung, die deutsch-nationales und völkisches Gedankengut hochhält und ein Gebäude 'Burschenschafter-Anschluß-Turm' nennt - dergleichen macht, dann ist das mehr als bedenklich."

Der Skandal war da! Eine Seite des Kurier gefüllt. Doch Neues kam nicht zutage. Im Gegenteil. Ziel war - mal wieder - der bekannte Burschenschafterturm in Linz am rechten Donauufer, von dessen oberstem Stock seit langem die schwarz-rot-goldene Fahne der Deutschen Burschenschaft herunterhängt. Dieser Turm ist eine Gedenkstätte und Museum der Burschenschaft, eines der größten akademischen Verbände des deutschen Sprachraumes.

Der heutige Burschenschafterturm wurde 1915 von dem Wiener Burschenschafter Carl Beurle erworben. Er war damals stark verwahrlost, ein Wehrturm einer alten Gesamt-Wehranlage. Diese war am Beginn des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck der zahlreichen Feldzüge Napoleons gebaut worden - mit 32 Wehrtürmen an beiden Donauufern und einer diese Türme verbindenden Mauer, um Linz zu einer befestigten Stadt zu machen. Von dieser Anlage stehen heute noch neun Türme.

Einer davon, die frühere "Adelgunden-Klause" (heute der Burschenschafterturm) war mit der Warte "Walpurga" durch eine Anschlußmauer verbunden. Daher kommt die seit jeher bekannte Bezeichnung Anschlußturm und Anschlußmauer, wie auch im "Historischen Jahrbuch der Stadt Linz 1984" nachlesbar ist - selbst für Journalisten oder Kulturhistorikerinnen.

Schwarz-Rot-Gold sind seit Gründung der Ur-Burschenschaft 1815 deren Farben und seit dem Hambacher Volksfest 1830 die deutschen Volksfarben. Eine schwarz-rot-goldene Fahne hing bei der Revolution 1848 auf dem Stephansdom zu Wien, und auch der sozialdemokratische Wiener Bürgermeister Helmut Zilk ließ bei der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 eine solche am Wiener Rathaus hissen.

Aber Worte wie "Anschluß", "deutschnational" oder "ewiggestrig" sind eben interessanter. Und hatte nicht erst kürzlich auch der ehemalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga öffentlich zur Kenntnis gebracht, daß die Österreicher eigentlich Deutsche sind? Was ja bekanntermaßen nichts mit Staatsgrenzen zu tun habe. Dessenungeachtet wurde noch schnell nach dem Verfassungsschutz gerufen sowie die angeblich nicht erfolgte Vergangenheitsbewältigung bei österreichischen Politikern angemahnt.

Von all den Forderungen ließ sich jedoch die sozialdemokratische Linzer Stadträtin Christiana Dolezal nicht sonderlich beeindrucken. Sie stellte lediglich lapidar fest, daß der "Burschenschafterturm im Privateigentum der Vereinigung alter Burschenschafter Oberösterreich/ Linz" sei und eben "keine Subvention" erhalte.

So stand Dolezal dann doch ziemlich sprachlos da und betonte, zumindest das Schild mit dem Linzer Logo, das an der Außenmauer des Turmes angebracht sei, sollten die Besitzer doch abschrauben und statt dessen eine historisch aufklärerische Zusatztafel anbringen lassen. Beinahe resignierend fügte sie noch hinzu: "Zwingen können wir sie dazu aber nicht - wenn sie nicht wollen, wird es schwierig."

Dies kam dann allerdings nicht mehr von ungefähr - hatte Dolezal sich doch vom Linzer Stadtarchivar die historischen Tatsachen und den dokumentierten Sinn des Burschenschafterturmes klarmachen lassen. Dieser ist eine unter Denkmalschutz gestellte Gedenkstätte für die gefallenen Burschenschafter des Ersten und Zweiten Weltkrieges.

In den drei Geschossen des Burschenschafterturmes befindet sich außer einem diesen Gefallenen gewidmeten Raum ein Gedenkraum für die in den beiden Weltkriegen verlorengegangenen elf deutschen Hochschulen, wie 1919 Czernowitz, Dorpat, Riga und Straßburg sowie 1945 Breslau, Brünn, Danzig, Königsberg, Pibrans (Príbram), Prag und Tetschen. Ein dritter Raum ist der Geschichte der Deutschen Burschenschaft gewidmet, wobei besonders die Bedeutung von Linz durch wertvolle Ausstellungsstücke hervorgehoben ist.

Somit ist diese von den Eigentümern mit viel Idealismus hergestellte und erhaltene Gedenkstätte nicht nur ein Mahnmal für die Gefallenen und ein beachtenswertes Museum, sondern auch eine (Zitat aus dem Prospekt) "Erinnerungsstätte daran, daß es über die Grenzen und Einzelstaatlichkeit hinaus ein geistiges Band gibt, welches den gesamten deutschen Volks- und Kulturraum umfaßt".

Anschlußturm in Linz: Früher ein Wehrturm gegen Napoleon - heute Gedenkstätte und Museum der Deutschen Burschenschaft

 

Dr. Bruno Burchhart ist praktischer Arzt, Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft Olympia und Vorstand im Verband Freiheitlicher Akademiker Kärnten.


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