© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

Bauernopfer für den Welthandel
Landwirtschaft: Die Zuckermarktreform der EU bedroht in Deutschland 46.000 Rübenanbauer / Konkurrenz durch Rohrzucker
Harald Ströhlein

Der Streit um den Zucker spitzt sich zu. Das wundert nicht, denn schließlich geht es um Menschen, Macht und Märkte. Deutschland ist (nach Frankreich) mit 27,2 Millionen Tonnen der zweitgrößte Zuckerrüberproduzent in der EU.

Doch der garantierte durchschnittliche Mindestpreis pro Tonne Rüben (A-Klasse) soll laut Brüsseler Plänen von jetzt 46,72 Euro auf 25,05 Euro im Jahre 2008 sinken. Daher steht in Deutschland die Existenz von über 46.000 Rübenbauern, rund 6.500 Arbeitnehmern in der Zuckerindustrie und mehr als 20.000 Beschäftigten in den vor- und nachgelagerten Bereichen auf dem Spiel.

Das sagen die einen, die Vertreter von Bauerninteressen, die sich strikt gegen die von der EU-Kommission ab 2006 geplante Zuckermarktreform und die massiven Ertragseinbußen in der Landwirtschaft von über 40 Prozent stellen. Die anderen, die Zuckerverwerter in der Lebensmittelindustrie, halten Bauerndemos und Antireform-Kampagnen für maßlos übertrieben.

Deren Argument: Fällt der Preis für Rübenzucker und floriert der Handel mit noch günstigerem Rohrzucker aus Drittländern, sind Entlastungen in Milliardenhöhe zu erwarten. Mehr als eine Viertelmillion Tätige in der Lebensmittelindustrie und die Verbraucher werden angeblich davon profitieren.

Die Politik als solche tut sich schwer mit der geplanten Zuckermarktreform. Mehr noch: Die zerfahrene Linie unter den EU-Landwirtschaftsministern zeigt einmal mehr, daß es mit der Einheit innerhalb der Europäischen Union nicht weit her ist. Während sich nämlich die Griechen, Spanier, Iren, Polen und Italiener ernsthaft um ihre Rübenbauern sorgen, hält die deutsche Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) dem Brüsseler Ansinnen die Fahne und bietet mit einem Plädoyer für einen weltweiten, zügellosen Zuckerhandel ihren Rübenbauern die Stirn.

Die Zeit für die willigen EU-Reformer drängt, denn im November findet die Konferenz der Welthandelsorganisation WTO in Hongkong ihren Fortgang. In puncto "Liberalisierung der Märkte" wollen die progressiven Europäer ein Zeichen setzen. Ein Bauernopfer käme da gerade recht.


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