© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/05 26. August 2005

Die Woche
Schröders Bankrotterklärung
Fritz Schenk

Unser bürgerliches Recht stellt Insolvenzverschleppung unter Strafe. Wer einen erkennbaren Konkurs verbrämt, vertuscht, Geschäftspartner und Mitarbeiter täuscht, Tatsachen bewußt manipuliert, Gläubiger hintergeht, kurzum: die Tatsache seines unabwendbaren geschäftlichen Scheiterns aktiv und wissentlich durch Unwahrheiten verschleiert, macht sich strafbar.

In der Politik ist das anders. Zwar schwören der Bundeskanzler und seine Minister mit dem Amtseid vor dem Deutschen Bundestag, daß sie ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen und Schaden vom deutschen Volk abwenden wollen. Doch wenn das Gegenteil eintritt, sind sie strafrechtlich nicht zu belangen. Ihre "Abstrafung" kann nur in freien Wahlen durch das Volk erfolgen, das eben auch die Kosten und Lasten einer desaströsen Politik zu tragen hat.

Die SPD schaltet gegenwärtig für die sogenannte heiße Phase des Wahlkampfes bundesweit Zeitungsanzeigen mit dem Bild von Bundeskanzler Gerhard Schröder, in denen die Kernpunkte ihrer politischen Absichten herausgestellt werden sollten. "Sollten" muß man deshalb sagen, weil der wesentliche Inhalt der Aussagen nicht enthält, was eine wiedergewählte Schröder-Regierung tun, sondern was sie nicht tun will. Keine Anhebung der Mehrwertsteuer, keine Gebühren für das Erststudium, keine Kopfpauschale im Gesundheitswesen, keine Steuersenkung für Besserverdienende, keine Gebühren für Kindertagesstätten - dafür Absichtserklärungen für die Fortsetzung der bisherigen Politik von der Einführung einer Bürgerversicherung zum Atomausstieg über die weitere Förderung von erneuerbaren Energien, die besondere Förderung des Handwerks bis hin zum Festhalten an der bisherigen Friedenspolitik. Zusammengefaßt also "Weiter so Deutschland"! Das wäre Insolvenzverschleppung.

Die Opposition versucht dagegenzuhalten. Mit der Vorstellung ihres Kompetenzteams hat CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel den zwischenzeitlichen Einbruch bei den Wählerumfragen wieder etwas korrigiert. Mit der Gewinnung des anerkannten Finanzexperten Paul Kirchhof für ihre Führungsriege ist ihr sogar wieder ein personaler Volltreffer gelungen, der nicht geringer einzuschätzen ist als vor gut einem Jahr ihre Präsentation von Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten.

Doch schon verläßt Angela Merkel wieder der Mut. Kaum hat Kirchhof seine radikale Steuerreform vorgestellt, dafür von der Mehrheit jener, die davon etwas verstehen, laute Zustimmung erhalten, stutzt sie Kirchhofs Konzept auf ein fast nicht wiederzuerkennendes Minimum zurück.

Inzwischen schwelt die Insolvenzkrise weiter. Die Anzeichen mehren sich täglich, daß das Wählervolk viel klüger ist, als es die vermeintlichen Volksvertreter wahrhaben wollen. Niemand macht sich mehr Illusionen über den wirklichen Zustand Deutschlands. Die Bevölkerung weiß längst, daß wir ohne eine Roßkur nicht aus der Misere herauskommen können. Wir beobachten Gerhard Schröder schon zu lange und zu gut, um jetzt nicht zu erkennen, daß er mit seinem Latein am Ende ist. Noch nie hat sich dieser Sprechkünstler bei seinen Reden so oft verheddert wie bislang in diesem Bundestagswahlkampf, noch nie so eintönig und nichtssagend dahergeredet wie bei seinen jetzigen Auftritten. Seine Zeit ist abgelaufen.


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