© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/05 26. August 2005

Der Midas unter den Spionen
Zum Mr. Universum reichte es nicht ganz: Sean Connery feiert seinen 75. Geburtstag
Michael Insel

Als People Magazine Sean Connery 1989 zum "sexiest man alive" kürte, quittierte er diese Ehrung mit den Worten: "Na ja, die meisten toten Männer sind nicht besonders sexy, oder?" Recht hatte er. Freilich sind auch die meisten lebenden Endfünfziger nicht mehr im Rennen für einen solchen Titel. Über fünfzehn Jahre später hat Connery, der am 25. August seinen 75. Geburtstag feiern kann, als Sex-Symbol und Action-Held in einer notorisch launischen Industrie nichts von seinem Marktwert eingebüßt. Laut Steven Spielberg gibt es derzeit "weltweit sieben echte Filmstars, und Sean ist einer von ihnen".

Zunächst jedoch meinte das Schicksal es nicht allzugut mit dem flotten Schotten. Thomas Connery (Sean war sein Bühnenname) wuchs in einem armen Arbeiterviertel in Edinburgh auf. Schon als Neunjähriger trug er frühmorgens vor der Schule Milch aus, um die Finanzen der Familie aufzubessern. Mit 14 wurde daraus ein Vollzeitjob, nachdem der Vater bei einem Unfall in der Fabrik ums Leben gekommen war. 1947 ging er zur Marine, wurde jedoch zwei Jahre später wegen seiner Magengeschwüre wieder entlassen.

Zurück in Fountainbridge jobbte Connery als Kohlenmann, Bademeister, Sargpolierer, Bühnenarbeiter und saß Kunststudenten Modell. Um dem Alltagseinerlei zu entkommen, spielte er Fußball. Angeblich hätten ihn sowohl Celtic Glasgow als auch Manchester United fast unter Vertrag genommen, doch letztlich war es sein zweites Hobby, Bodybuilding, das ihm zu ersten Gehversuchen auf den Brettern, die die Welt bedeuten, verhalf.

Nach dreijährigem Training trat Connery 1953 für Schottland um den Titel des Mister Universum an. Leider reichte es nur zum dritten Platz, doch erfuhr er von einem Mitbewerber, das muskulöse Männer für das Musical "South Pacific" gesucht wurden. Connery flunkerte den Produzenten vor, Bühnenerfahrung zu haben, und erhielt eine Sing- und Tanzrolle als barbrüstiger Matrose. Danach entschloß er sich, in London zu bleiben und Schauspieler zu werden.

Nach verschiedenen Theaterrollen folgten erste Auftritte in Fernsehspielen und Filmen (1958 mit Lana Turner in "Herz ohne Hoffnung", wo er nach fünfzehn Minuten starb, aber einen starken Eindruck hinterließ), bis Connery 1962 in "James Bond jagt Mr. No" als "Gestatten, Bond, James Bond" die Kinos eroberte: Die Leser des Londoner Daily Express, wo Ian Flemings Spionagethriller als Comicserie erschienen, gaben Connery den Vorzug vor so illustren Konkurrenten wie Trevor Howard, Cary Grant oder Rex Harrison. In den nächsten zehn Jahren kehrte er in fünf weiteren Bond-Verfilmungen auf die Leinwand zurück, 1983 noch einmal in "Sag niemals nie", einem inoffiziellen Remake des 1965er Films "Feuerball".

Doch Connery wollte mehr sein als nur der beste 007-Darsteller der Filmgeschichte und stellte sein Talent in einer Vielzahl unterschiedlichster Charakterrollen unter Beweis, von Sidney Lumets Kriegsgefangenendrama "Ein Haufen toller Hunde" (1965) über John Hustons Kipling-Verfilmung "Der Mann, der König sein wollte" (1975) bis hin zu Umberto Ecos detektivischem Mönch William von Baskerville in Jean-Jacques Annauds "Der Name der Rose" (1986). Der harte Cop Jimmy Malone in Brian DePalmas "Die Unbestechlichen" (1987) brachte ihm einen Oscar als bester Nebendarsteller ein.

In den letzten Jahren wechselten sich Kassenschlager wie "Jagd auf Roter Oktober" (1990), "Entscheidung auf Alcatraz" (1996) und "Forrester - Gefunden!" (2000) und weniger erfolgreiche Filme wie "Die Wiege der Sonne" (1993), "Mit Schirm, Charme und Melone" (1998) und "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" (2003) ab.

Abseits der Leinwand wurde Connery zunehmend politisch aktiv. Hatte er sich bei den Parlamentswahlen 1970 noch geweigert, für die Scottish National Party (SNP) zu kandidieren, so ist er mittlerweile einer ihrer wichtigsten Unterstützer - nicht nur finanziell, sondern auch durch regelmäßige öffentliche Auftritte, bei denen er leidenschaftlich für die schottische Unabhängigkeit eintritt. Sonst, so wird gemunkelt, hätte Königin Elisabeth II. den Superagenten nicht erst 2000 zum Ritter geschlagen.

Nach Connerys Ausscheiden aus dem Thriller "Josiah's Canon" im September 2004 hieß es, er ziehe sich ganz aus dem Filmgeschäft zurück. Schon drei Monate später meldete er sich von den Bahamas aus, wo er mit seiner zweiten Frau, der Malerin Micheline Roquebrune, lebt, in der Zeitung The Scotsman zu Wort, um solche Gerüchte zu dementieren. Er bestätigte aber, eine Pause einlegen und sich ganz seiner Autobiographie widmen zu wollen.

Ende Juli diesen Jahres wiederum wurde er in den Medien mit den Worten zitiert, er habe die Nase voll von den "Idioten, die heute in Hollywood sind" - es sieht nicht gut aus für Connery-Fans, die geduldig seine Rückkehr auf die Leinwand erwarten. Immerhin wird er seine Stimme für eine demnächst erscheinende Videospielversion von "James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau" hergeben.

Foto: Sean Connery als Harvard-Professor Paul Armstrong in "Im Sumpf des Verbrechens" (1994)


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