© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Diether Dehm
Rückkehr der roten Socken
von Peter Freitag

Wenn einer in die vom Luxuslinken Lafontaine verkörperte Wahlalternative "Armani/Soziale Gerechtigkeit" paßt, dann er: Diether Dehm, Spitzenkandidat der Linkspartei in Niedersachsen und somit - sollten sich die Prognosen am Wahlabend als zutreffend erweisen - aussichtsreicher Anwärter auf einen Sitz im neuen Bundestag. Damit wäre er eine - vielleicht die schillerndste - von etlichen roten Socken, denen dank Steigbügelhalterdiensten der Wahlalternative am Sonntag voraussichtlich die Rückkehr auf die politische Bühne gelingen wird.

Der 1950 in Frankfurt am Main geborene Dehm ist ein wahrer Tausendsassa, beruflich wie politisch. Als erfolgreicher Kulturmanager, Liedermacher, Autor von Büchern und Musicals brachte er es zu einem ansehnlichen Vermögen; zu den Abnehmern seiner Arbeiten gehören Größen wie Konstantin Wecker, Kati Witt oder Dieter Hildebrandt. 1966 trat Dehm der SPD bei, positionierte sich von Anfang an auf ihrem linken Flügel; was ihn jedoch nicht davon abhielt, 1993 Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft Selbständiger in der SPD" zu werden. Wo sich Künstler für das Gute "engagierten", durfte Dehm nicht fehlen: gegen Raketen und für Frieden, gegen Hunger, die Bild-Zeitung, Aids, "Nazis" und für Ausländer - Diether war immer dabei.

Ein weiterer dankbarer Abnehmer Dehmscher Erzeugnisse war weiland auch das Ministerium für Staatssicherheit. Von ihm und seiner Frau Christa Desoi (alias IM "Willy" und "Christa") erfuhr Mielkes Horch und Guck seit Anfang der siebziger Jahre "operativ verwertbare Informationen" aus der linken Szene Südhessens (SPD und Jungsozialisten) sowie aus dem westdeutschen Künstlermilieu. Als Manager des 1976 aus der DDR ausgewiesenen Liedermachers Wolf Biermann organisierte (sprich: steuerte) der umtriebige "Willy" nicht nur dessen Auftritte, sondern half im Auftrag Ost-Berlins auch, den Unbequemen politisch "zu neutralisieren". Dehms Anwerbung erfolgte laut Stasi "auf der Basis politischer Überzeugung"; da in den Akten jedoch keine schriftliche Verplichtungserklärung vorliegt, kann er weiter behaupten, lediglich während seiner zahlreichen DDR-Aufenthalte "unwissend abgeschöpft" worden zu sein. Vor Gericht scheiterte er 1996 jedoch letztendlich mit dem Versuch, die Erwähnung seiner IM-Tätigkeit untersagen zu lassen. Dem Rauswurf aus der SPD entging er durch "freiwilligen" Verzicht auf weitere Parteiämter, bevor er 1998 selbst aus- und der PDS beitrat. Doch schließlich wurde auch seinen neuen Genossen sein intrigantes Wesen zuviel, was ihn 2003 die Mitgliedschaft im Bundesvorstand kostete.

Ein Vers aus Dehms populärstem Opus, dem Klaus-Lage-Titel "1001 Nacht", dürfte somit nicht nur dem prominentesten Opfer seiner Stasi-Dienste, Wolf Biermann, wie eine verschlüsselte Offenbarung erscheinen: "Und wenn ich Dir oft von meinen Problemen erzählt hab', hätt' ich nie geahnt, Du warst der Schlüssel dazu."


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