© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Kolumne
Was uns erwartet
Rolf Stolz

Das Volk darf wählen - und feststellen, daß es keine Wahl hat. Außer der Wahl zwischen einer rosa-grünlich und einer schwarz-gelb verpackten Wundertüte. Und der Rest der Parteienwelt, der im besten Falle oppositionelle Ohnmacht demonstriert, aber keine Alternative und keinen Ausweg aufzuzeigen vermag, ist ohnehin nur zweite Wahl. Man muß kein Prophet sein, um zu konstatieren: Die Inhalte der angeblichen Volksparteien ähneln sich in den Grundfragen (Förderung der Großkonzerne, Unterordnung unter amerikanische Globalstrategien, Verhindern einer auf die absolute Priorität der Familie und der Kinder setzenden Umkehr des demographischen Trends, schleichende Entdeutschung Deutschlands) und unterscheiden sich in zweitrangigen Details.

Die Angebote der Firmen Schröder & Co. und Merkel & Co. versprechen Reformen und Wende. In Wirklichkeit versteinern sie die Misere einer Politik, die immer mehr Arbeitslose produziert, Deutschland in ferne Kriege verstrickt, auf den Terrorismus nur mit Phrasen und juristischen Kapriolen reagiert, Bildung und Kultur im globalen Wettbewerb knapp vor Bangladesch positioniert. Die Hoffnungen mancher guter und liebenswürdiger Menschen, daß von den alten Parteien und ihrem alten Personal mit Druck von unten und von außen eine andere Politik zu erreichen sei, haben ungefähr soviel Erfolgsaussichten wie die Erwartung, daß der neue Bundestag als erstes eine Halbierung der Diäten beschließen werde.

Die Ehrlichkeit der bisherigen Opposition beschränkt sich auf die fest versprochene Mehrwertsteuererhöhung. Das wahre Ausmaß des geplanten Rückschnitts der Sozialpolitik auf Armenfürsorge wird verschwiegen. Die anderen, schon halb auf Abschiedstour, lassen auf die alten Lügen von der Halbierung der Arbeitslosenzahlen nun neue Lügen vom Türkei-Beitritt "im deutschem Interesse" oder von der durch "Hartz" gezauberten Gerechtigkeit folgen.

Was aber tun? Der Lafontaine-Gysi-Linken einen Blankoscheck ausstellen? Eine Wegwerf-Stimme für die Republikaner oder eine der Kleinparteien verschleudern? Mit dem Kreuz für das Amalgam aus Verfassungsschutz, Nazi-Restmüll und Ignoranz namens NPD sich selbst ins Kreuz treten? Oder die Einsicht umsetzen: Hier und jetzt, mit dieser Wahl ist nichts zu ändern. Aber gerade deshalb müssen wir dafür kämpfen, daß quer zu den alten Fronten sich eine neue Volksbewegung auf den Weg macht - radikal sozial, konsequent natur- und volksverbunden, bürgerinitiativ für ein besseres Deutschland.

 

Rolf Stolz ist Mitbegründer der Grünen und lebt als Publizist in Köln.


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