© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Kommunikation ist Schicksal
Volker J. Kreyhers "Handbuch Politisches Marketing" entschlüsselt im tobenden Bundestagswahlkampf viele politische Strategien
Kurt Zach

Kommunikation ist nicht alles in der Politik, aber ohne Kommunikation ist alles nichts. "Politische Realität ist vor allem medienvermittelte Realität", konstatiert Herausgeber Volker J. Kreyher programmatisch in seinem eigenen Beitrag zu dem von ihm herausgegebenen Kompendium.

Unter den Bedingungen der modernen Mediengesellschaft bewegen sich politisch Tätige auf allen Ebenen - von der Kommunalpolitik bis zur internationalen Diplomatie - in einem pluralistischen Beziehungsgeflecht gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Akteure und Interessengruppen, in dem den Medien als Mittlern von Meinungen und Informationen eine Schlüsselrolle zukommt.

Die politische Auseinandersetzung kehrt ihrem klassischen Austragungsort in den republikanischen Institutionen den Rücken und wandert in die elektronischen Medien ab. Nicht die Bundestagsdebatte, sondern das "TV-Duell" oder die Talkrunde kann sich der höchsten Aufmerksamkeit des Publikums gewiß sein. Wer prägt den Diskurs - die Medien oder die politisch Handelnden? Kreyhers "Handbuch Politisches Marketing" leuchtet in mehr als vierzig Beiträgen Theorie, Praxis, Formen und Instrumente der Vermarktung und Kommunikation politischer Inhalte im Spannungsfeld zwischen Selbstmediatisierung und Propaganda aus.

Kreyher, Geschäftsführer einer Heidelberger Kommunikationsagentur und des ISKK Institutes, ist damit eine Zusammenschau geglückt, die den Namen "Handbuch" zu Recht trägt. Es ist untergliedert in sechs Themenkreise, deren Beiträge sich mit den grundlegenden Potentialen und Perspektiven, der Praxis des politischen Marketings, dem Bezugsrahmen der Mediengesellschaft, der Politik- und Kommunikationsberatung, dem Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und schließlich mit Fragen der Kommunikation im öffentlichen Management befassen. Zielgruppe sind dabei nicht nur Politiker und Praktiker im öffentlichen Bereich, in Unternehmen und Verbänden.

Gezeigt wird nicht nur, wie Strategien und Techniken aus der Wirtschaft die politische Kommunikation beeinflussen, etwa das Verständnis von Parteien oder Personen als "Marke" oder die Nutzbarmachung moderner Methoden der Spendeneinwerbung. In puncto Ablegen von Medienscheu, Personalisierung, Visualisierung und Reaktionsschnelle der Kommunikation könne die Wirtschaft bereits von der Politik lernen.

Gerne hätte man einen eigenen Beitrag über die "Schweigespirale" gelesen - das Ausgrenzen bestimmter Meinungen, Inhalte und Richtungen durch eine selbststeuernde Medienblockade und die Schwierigkeit, diese zu durchbrechen. Das Thema wird indes verschiedentlich angesprochen, erfolgversprechende Ansätze für die "underdogs" des Diskursbetriebs öffnen sich, wenn Kommunikation umfassend verstanden und auch moderne Mittel wie Event- und Protestkommunikation einbezogen werden.

Kreyher und seine Autoren suchen einen positiven und professionellen Zugang zum hochaktuellen Gebiet des politischen Marketing. Sie übersehen nicht die Gefahren der rasanten Mediatisierung und Entpolitisierung der Politik - der Personalisierung, Entertainisierung und Inszenierung -, richten ihren Blick aber auf die Chancen. Entscheidend sei, kommunikativen Erfolg nicht als Selbstzweck nach dem Motto "ich werde gesendet, also bin ich" zu begreifen, sondern politische Kommunikation als integralen Bestandteil der Politik zu begreifen und ihr Instrumentarium zu nutzen, um selbst Themen zu setzen und die Richtung des Diskurses zu bestimmen. Kreyher will "politisches Marketing als Konzept für eine aktive Politik" verstanden wissen. Politik kann "ideeller und professioneller" zugleich werden, darin liege kein Widerspruch, bemerkt ein anderer Autor.

Gleich, wie die bevorstehende Bundestagswahl ausgeht - wer verstehen will, was abläuft, und wer künftig selbst gestaltend in die weitere Entwicklung von Staat und Gesellschaft eingreifen möchte, kommt an diesem Handbuch nicht vorbei.

Volker J. Kreyher (Hrsg.): Handbuch politisches Marketing. Impulse und Strategien für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Nomos Verlag, Baden-Baden 2004, 575 Seiten, broschiert, 49 Euro


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