© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

eSport: Die Professionalisierung hat begonnen
Fleiß und Disziplin
Frank Liebermann

Sport ist laut Definition ein kulturelles Handlungsfeld, auf dem sich Menschen körperlich und/oder geistig betätigen, um sich nach festgelegten Regeln im Wettkampf zu messen. Körperliche Betätigung ist nicht zwingend, daher zählen auch Schachspielen oder Angeln zum Sport.

Neu hinzugekommen ist der eSport, ein Kunstbegriff, der aus dem englischen "electronic Sports" abgeleitet wurde. Beim eSport handelt es sich um eine neue Disziplin, bei der es vorwiegend auf die Koordination zwischen Hand und Auge ankommt, aber auch auf taktische und strategische Fähigkeiten. Grundlage für ihr Entstehen war das Internet. Schnelle und bezahlbare Bandbreiten für die Masse der Bevölkerung machten das Spielen über das Internet erst attraktiv. Computerspieler kennen das Problem.

Hat man alle Level eines Spieles einmal durchschritten und die Taktik des Computergegners durchschaut, ist der Spaß schnell vorbei. Neue Spiele auf dem Markt haben daher fast immer einen Mehrspielermodus, so daß Menschen gegeneinander antreten können. Strategiespiele, Egoshooter (JF 50/04) oder Autorennen lassen sich so über das Internet spielen, Mensch gegen Mensch. Das ist weit spannender als gegen den Rechner, da noch immer fast jeder Mensch kreativer ist als die Logik eines Programms.

In der Öffentlichkeit nimmt der eSport zunehmend Raum ein. Selbst die Bild-Zeitung berichtet über die World Cyber Games (WCG), eine Art inoffizielle Weltmeisterschaft für Computerspiele. Die ersten WCGs wurden in Südkorea und den USA ausgetragen. Die Preisgelder können sich mittlerweile sehen lassen. Anfangs erhielten die Gewinner noch Grafikkarten oder CDs. Heute sind ordentliche Beträge üblich. Bis zu 20.000 US-Dollar für einen Turniersieg bei der WCG sind normal, bei anderen Wettbewerben wurde auch schon mehr ausgeschüttet.

Wie stark eSports in Asien verbreitet ist, läßt sich daran sehen, daß von dort der Vorschlag kam, sie als olympische Disziplin aufzunehmen. Im deutschen Fernsehen hat vor allem der Sender Giga.de zur Bekanntmachung von eSport geführt. Täglich gibt es eine zweistündige Sendung mit allen möglichen Themen rund um den eSport, inklusive der Liveübertragung von Wettkämpfen. Darüber hinaus hat Giga.de eine eigene Liga gegründet, in der Spieler gegeneinander antreten und sich für die WCG qualifizieren können.

Wird eSport in Zukunft vielleicht gar olympisch?

Doch hat eSport ein Imageproblem. Sobald ein Jugendlicher Amok läuft, wird nach den üblichen Verdächtigen gefahndet. Wenn dann keine Zugehörigkeit zu Nazigruppen oder zur Gruftie-Szene gefunden wird, müssen wieder einmal Computerspiele herhalten - obwohl es noch keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis für den Zusammenhang zwischen realer Gewalt und Computerspielen gibt.

Eng mit eSport verbunden sind die "Professional Gamers", kurz Progamers genannt. Ähnlich anderen Profisportlern trainieren sie täglich. Die ersten Profis stammten aus Südkorea, Japan und den USA, da in diesen Ländern die Anerkennung des Sports weit fortgeschritten ist und erfolgreiche Spieler soviel Aufmerksamkeit genießen wie in Deutschland ein Fußballprofi. In Südkorea gibt es unzählige Teams, die von Unternehmen komplett finanziert werden. Zwei Fernsehkanäle übertragen rund um die Uhr Spiele.

Auch das Geschäftsgebaren im eSport ist ähnlich wie im konventionellen Sport. Wechseln die Spieler eines Clans, ist es nicht unüblich, Ablösesummer zu zahlen. Die Wechselbereitschaft ist höher als in anderen Sportarten, da ein Mannschaftswechsel nicht mit einem tatsächlichen Umzug verbunden ist.

Auch in Deutschland gibt es immer mehr Spieler, die monatliche Gehälter beziehen. Noch ist das die Ausnahme, und von den Beträgen kann niemand leben. Aber die Industrie ist hellhörig geworden. Sponsoren aus dem IT-Bereich stehen bereit, und Konzerne, die Produkte für Jugendliche anbieten, strukturieren ihre Werbe-Etats zur Finanzierung von eSport um.

Mit eSport ist ein neues kulturelles Phänomen entstanden. Über Ländergrenzen hinweg sind Jugendliche aktiv und engagieren sich. Genau wie bei anderen Sportarten müssen Menschen hier Fleiß und Disziplin für das Training aufbringen, Teamfähigkeit erlernen und mit anderen Menschen kommunizieren, zum Teil mehrsprachig.

Foto: Cyber-Kämpfer: In Südkorea gibt es unzählige Teams, die von Unternehmen komplett finanziert werden, Fernsehkanäle übertragen rund um die Uhr Spiele.


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