© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

"Hinter der Maske ein marxistisches Gesicht"
Österreich: Spannende Landtagswahlen in der Steiermark / KPÖ erwartet Achtungserfolg / Schicksalsfrage für FPÖ und BZÖ
Michael Howanietz / Jörg Fischer

Die Steiermark darf nicht Mecklenburg-Vorpommern werden", warnte letzten Samstag ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka auf einer Wahlveranstaltung in Graz. Was hat das österreichische Alpen-Bundesland mit dem norddeutschen Küsten-Bundesland zu tun? Eigentlich nicht viel - doch seit den Bundestagswahlen vom vergangenen Wochenende eventuell einiges.

Denn in der Steiermark wird am 2. Oktober gewählt, und die Entscheidung scheint ebenso spannend zu geraten wie in Deutschland. 930.000 Wahlberechtigte müssen darüber entscheiden, ob Waltraud Klasnic von der ÖVP Landeshauptfrau bleiben wird. Chancenreiche Herausforderer der ÖVP (2000: 47,3 Prozent/27 Sitze), die in einer Koalition mit der FPÖ (2000: 12,4 Prozent/7 Sitze) regiert und in der Zweiten Republik stets den Landeshauptmann stellte, sind diesmal nicht nur die SPÖ (2000: 32,4 Prozent/19 Sitze) und die Grünen (2000: 5,5 Prozent/3 Sitze).

Die mögliche Überraschung des Wahltages könnte die KPÖ sein. Und hier liegt die von Lopatka angesprochene Parallele zu Schwerin und Berlin: Den Kommunisten werden über sechs Prozent der Stimmen und der Einzug in den Grazer Landtag zugetraut. Und das ist - hier liegt die zweite Parallele zum Erfolg der Linkspartei - dem KPÖ-Spitzenkandidaten zuzuschreiben: Der steirische Gysi oder Lafontaine heißt Ernest Kaltenegger (JF 07/03). Der "Engel der Armen" plakatiert "Geben statt Nehmen!" und handelt sogar danach. Von seinen Politikerdiäten im Grazer Stadtrat, die netto 4.500 Euro betragen, stiftet er über die Hälfte für karitative Zwecke. Ein Umstand, der seine Wählerschaft klassenkämpferische Parolen wie: "Die Aufhebung des kapitalistischen Eigentums an den großen Produktionsmitteln ist die entscheidende Grundvoraussetzung, um den Sozialismus aufzubauen!" vergessen läßt.

Der "steirische Gregor Gysi" heißt Ernst Kaltenegger

Wie bei der Linkspartei in Deutschland verdeckt die Strahlkraft des 55jährigen Grazer Gemeinderates als Spitzenkandidat die programmatische Defizite der KPÖ und ihres sonstigen Personals, weshalb nicht nur die ÖVP warnt, "daß hinter der Maske von Ernest Kaltenegger ein marxistisches Gesicht steckt". Wie im deutschen Bundestag könnte sich aber auch im steirischen Landtag eine knappe rot-rot-grüne Mehrheit ergeben.

Denn SPÖ liegt nach letzten Umfragen mit 38 bis 39 Prozent Kopf an Kopf mit der ÖVP. Wobei SPÖ-Spitzenkandidat Franz Voves weniger von den eigenen Vorzügen als den fortgesetzten Eigentoren Klasnics profitiert. Jüngstes Kapitel in der landeshauptfraulichen Selbstbeschädigungskampagne ist die sogenannte "Causa Herberstein".

Der Tierpark Herberstein wurde viele Jahre lang mit großzügigen Fördergeldern bedacht. Pikant ist dies erstens, da Andrea Herberstein eine enge Freundin von Landeshauptfrau Klasnic ist. Und zweitens, weil ein Großteil der Subventions-Millionen nicht widmungsgemäß verwendet worden sein dürfte. Der Staatsanwaltschaft liegen zwei diesbezügliche Selbstanzeigen, davon eine der Familie Herberstein vor.

Zusätzlich könnte der ehemalige ÖVP-Landesrat Hirschmann, der mit einer eigenen Liste kandidiert, seine Ex-Partei einige Prozente kosten. Dem vormaligen Tourismus-Landesrat könnte allerdings zum Verhängnis werden, daß er es war, in dessen Zuständigkeit die stille Beteiligung des Landes Steiermark an dem jetzt in die Schlagzeilen geratenen Tierpark Herberstein fiel. Denn die einzige Partei der grünen Mark, die vom angekündigten ÖVP-Desaster nicht wird profitieren können, ist - so prophezeien die Demoskopen - die krisengeschüttelte FPÖ. Vizelandeshauptmann Leopold Schöggl hat einen schweren Stand, seinen Freiheitlichen werden nur vier Prozent zugetraut. Das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) - die FPÖ-Abspaltung unter Jörg Haider - wird laut Umfragen zwar ebensowenig den Sprung in den Landtag schaffen wie die Liste Hirschmann, aber wertvolle Prozente von der FPÖ abziehen. Auch die KPÖ dürfte zahlreiche ehemalige "Proteststimmen" der FPÖ aus dem Arbeitermilieu auf sich ziehen.

Doch vom Abschneiden der FPÖ und des BZÖ in der Steiermark hängt diesmal viel ab. Es ist die erste Landtagswahl nach der Spaltung der Freiheitlichen im Frühjahr 2005. Von ihren Erfolg oder Nichterfolg wird auch eine deutliche Signalwirkung für die Landtagswahl im Burgenland am 9. Oktober und die Wiener Gemeinderatswahl am 23. Oktober ausgehen. Der Abend in der Grazer Wahlzentrale wird wohl ähnlich spannend wie der in Berlin.


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