© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

Kuba aus der Scharfschützenperspektive
Die Kritik Horst Schäfers an der Politik der USA gegenüber der Antilleninsel leidet an einer mangelnden Distanz zum Castro-Regime
Paul Leonhard

Die USA und Kuba sind eine seit mehr als hundert Jahren währende Geschichte einseitiger nordamerikanischer Begehrlichkeiten. Spätestens mit der Einmischung in den kubanischen Freiheitskampf gegen die spanische Kolonialmacht 1898 begannen die Nordamerikaner sich aktiv für die größte Insel der Antillen zu interessieren. Die damalige Ignoranz gegenüber den Revolutionären - die USA verhandelten mit den Spaniern, ohne Kubaner mit an den Tisch zu holen - wie auch die beiden Okkupationen 1899/1902 und 1906/1909 sind bis heute auf der Insel nicht verziehen.

Zugespitzt hat sich die Situation noch einmal seit 1959, als Fidel Castros revolutionäre Bewegung an die Macht kam und das Land in der Folge zum Spielball im Kalten Krieg wurde. In seinem Buch "Im Fadenkreuz: Kuba - Der lange Krieg gegen die Perle der Antillen" versucht Autor Horst Schäfer (Jahrgang 1930) die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber dem Castro-Regime nachzuzeichnen. Schäfer hat dazu eine unheimliche Fleißarbeit geleistet. Er hat inzwischen freigegebene Geheimdokumente aus USA-Regierungsarchiven aufgearbeitet und zitiert ausführlich aus diesen Schriftstücken. Allerdings konnte Schäfer allenfalls in Details wirklich wissenswertes Neues der Öffentlichkeit mitteilen. An kubanischer Geschichte Interessierten sind die zahlreichen Attentatsversuche auf Fidel Castro ebenso bekannt wie der Umsturzversuch in der Schweinebucht oder die zahlreichen Scharmützel, die sich der kubanische Küstenschutz bis in diese Tage mit Aktivisten aus Miami liefert.

Auffallend ist auch, daß Schäfer die vielen vom USA-Geheimdienst geplanten Sabotage- und Terrorakte gegen Kuba zwar akribisch auflistet, aber nur selten zu berichten weiß, ob diese auch ausgeführt wurden oder es bei Planspielen blieb. Trotzdem ist die Liste der tatsächlich verwirklichten Aktionen erschreckend genug. Auch die der Zitate, so wenn der demokratische Politiker Frank Church offen einräumt: "Jahrelang versuchten wir, Fidel Castro und andere kubanische Staatsmänner zu ermorden. Die verschiedenen Anschläge verteilten sich über drei Regierungen und schlossen eine ausgedehnte Zusammenarbeit zwischen CIA und Mafia ein."

Leider läßt der Buchautor seine Grundhaltung überdeutlich erkennen, was nicht zur Glaubwürdigkeit beiträgt. Schäfer schreibt im selben polemischen Duktus, in dem er vor 1989 als USA-Korrespondent für die Ostberliner Nachrichtenagentur ADN im Interesse der sozialistischen Propaganda berichtet hat - der gebürtige Westfale war 1972 in die DDR übergesiedelt. Aus seiner Sympathie für das Castro-Regime und seinem starken Antiamerikanismus macht Schäfer keinen Hehl. Er bewertet Geheimdienst- und offizielle politische Aussagen aus seiner eigenen, subjektiven Sicht und schadet damit dem dokumentarischen Wert, den das Buch sonst durchaus haben könnte.

Andererseits zeichnet Schäfer nordamerikanische Außenpolitik nach, wie sie bereits in der Monroe-Doktrin von 1823 festgelegt wurde, als die USA Mittel- und Südamerika zu ihrem Einflußgebiet erklärten. Um dies durchzusetzen, ist Washington bis heute jedes Mittel recht: Wirtschaftsembargos, Militärputsche, Morde. Und natürlich insbesondere gegen Kuba, das durch die Enteignung amerikanischer Konzerne und Staatsbürger wie kein anderes lateinamerikanisches Land den großen Nachbarn vor den Kopf gestoßen hat und gleichzeitig mit seiner puren Existenz einen großen Einfluß auf die Demokratisierungs- und Befreiungsbewegungen in Mittel- und Südamerika hat.

Die Methoden, die die USA bis heute anwenden, um Kuba in die Knie zu zwingen, sind alles andere als fein. Schäfer zeichnet die beiden Ebenen nach: den Kampf mit Gesetzen und Präsidentenverordnungen und die "wirtschaftliche Erpressung" durch "Embargo, Einschränkung und dann völlige Einstellung des Handels, Lieferungsstopp für Lebensmittel, Medikamente und andere Produkte, zunehmenden Druck auf Drittstaaten, Reisebeschränkungen, Blockade" sowie die Unterstützung der Umsturzbestrebungen der Exilkubaner in Miami.

Schäfer spart leider die Reaktionen bzw. Aktionen seitens der Castro-Regierung aus, die vieles erhellen würden. Unter anderem auch, warum die Embargopolitik dem Diktator heute mehr nützt denn schadet. Denn inzwischen sind jene Kräfte in den USA, die einst antraten, Castro zu stürzen oder umzubringen, zum verläßlichsten Feind des kubanischen Diktators mutiert und damit - unfreiwillig - zu seinen größten Verbündeten.

Die Fortsetzung des Kalten Krieges von Miami aus stärkt das seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion innen- wie außenpolitisch, vor allem aber wirtschaftlich geschwächte Regime und schadet vor allem den demokratischen Kräften auf Kuba. Aber das vermag ein selber der Doktrin des Klassenkampfes verhafteter Autor wie Schäfer leider nicht zu erkennen. Und damit bleibt sein Werk so einseitig und in der Scharfschützenperspektive, wie es der Titel verspricht "Im Fadenkreuz: Kuba". Entsprechend wurde er auch auf der 14. Internationalen Buchmesse in diesem Jahr in Havanna gefeiert.

Foto: Exil-Kubaner protestieren in Miami 2003: Inzwischen zum verläßlichsten Feind Castros mutiert

Horst Schäfer: Im Fadenkreuz: Kuba. Der lange Krieg gegen die Perle der Antillen. Mit Geheimdokumenten aus US-Archiven belegt. Kai Homilius Verlag, Berlin 2004, 324 Seiten, gebunden, 18 Euro


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