© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Mit 27 in den vorzeitigen Ruhestand
Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes: Etwa 31,5 Milliarden Euro öffentlicher Gelder wurden unwirtschaftlich verwendet
Josef Hämmerling

Wohlstand fängt mit Sparen an!" Dieses alte Sprichwort scheint beim Staat auf taube Ohren zu stoßen. Anders ist nicht zu erklären, was der Bund der Steuerzahler (BdSt) in seinem neuesten Schwarzbuch auflistet. Nach Aussage von BdSt-Präsident Karl Heinz Däke liegt die "unwirtschaftliche Verwendung öffentlicher Gelder" bei insgesamt mindestens fünf Prozent der Staatshaushaltes - etwa 31,5 Milliarden Euro! An über einhundert Beispielen aus allen Bundesländern haben Däke und seine Mitarbeiter aufgeführt, wie verantwortungslos und fahrlässig Regierung, Gemeinden und viele staatliche Organisationen mit den Steuergeldern umgehen.

Einer der krassesten Fälle sei die ICE-Neubaustrecke von München über Ingolstadt nach Nürnberg. Waren hierfür ursprünglich 1,4 Milliarden Euro veranschlagt, belaufen sich die Gesamtkosten jetzt auf 3,6 Milliarden Euro! Und das nur, weil man sich wegen 23 Minuten Zeitgewinn für die geologisch aufwendigere Strecke über Ingolstadt anstatt über Augsburg entschied.

Harte Kritik übte Däke am Land Mecklenburg-Vorpommern, das seit der Wiedervereinigung 121,8 Millionen Euro in den Ausbau leerstehender Militärflugplätze für den Passagierverkehr steckte. So hat das am dünnsten besiedelte Bundesland nunmehr zwar die größte Flughafendichte, aber kaum Passagiere, die die Flughäfen auch nutzen. Die schlechteste Bilanz im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln hat der Flughafen Schwerin-Parchim. Hier wurden 35 Millionen Euro investiert. Doch die Passagierzahlen sind mager: Im Jahr 2004 waren es nur 4.671 Fluggäste.

Ein regelrechtes "Tiefgaragenfiasko" erlebte nach BdSt-Angaben das bayerische Garmisch-Partenkirchen. Der Ausbau von 113 auf 120 Parkplätze und einige weitere kleine Änderungen kosteten aufgrund einiger nachträglicher Planungsänderungen nicht wie veranschlagt 2,65 Millionen Euro, sondern 4,38 Millionen Euro - eine Steigerung um stattliche 65 Prozent. Den teuersten Parkplatz Deutschlands leistet sich allerdings Hessen auf dem Gelände seiner Landesvertretung in Berlin. Das 4.200 Quadratmeter große Gelände wurde im Juli dieses Jahres für knapp 8,6 Millionen Euro vom Bund gekauft. Ob dort jemals etwas Sinnvolles entsteht, ist fraglich. Also verwendet man das Gelände nunmehr kurzerhand als Parkplatz für die wenigen Mitarbeiter der hessischen Landesvertretung.

Kritisiert wurde vom BdSt auch, daß sich die mit Millionenaufwand von "Bundesanstalt" in "Bundesagentur" umgetaufte Nürnberger Arbeitslosenbehörde (BA) für 100.000 Euro auch noch ein neues Logo gönnte, das sich vom alten fast nur durch eine andere Farbgebung unterschied. Hinzu kamen dann noch 358.000 Euro für neue Dienststempel oder Briefbögen.

Den wohl unsinnigsten Ausgabenfall verzeichnet Nordrhein-Westfalen, wo die inzwischen abgewählte rot-grüne Landesregierung 50.000 Euro für ein "Gender Mainstreaming"-Pilotprojekt im Nationalpark Eifel verpulverte: Es soll "den unterschiedlichen Erwartungen von Frauen und Männern an Angebote der Waldpädagogik" Rechnung tragen. Darüber hinaus sollen aus dem Projekt "Handreichungen für eine geschlechtergerechte Didaktik für den Umweltschutzbereich" entstehen.

Da durfte die rot-grüne Bundesregierung natürlich nicht fehlen: Alleine rund eine halbe Million Euro kostete eine vom Informationsgehalt mehr als dünne, dafür aber schön große sechsseitige Medienbeilage zum Thema "Agenda 2010 - Deutschland bewegt sich". Auch der Geschäftsbericht der Bundesregierung 2003/2004 mit dem Titel "Auf unsere Stärken besinnen" ist als Imagepflege auf Kosten der Steuerzahler zu sehen. 284.000 Euro mußten letztere für den 76seitigen Bildband mit wenigen Informationen - aber vielen Werbesprüchen - berappen. Bezeichnenderweise wurde er kurz vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft verteilt.

Die Bundesregierung wies sämtliche Vorwürfe als haltlos und ungerechtfertigt zurück. Regierungssprecher Béla Anda meinte, der Geschäftsbericht und die Zeitungsbeilage seien "sinnvolle Beiträge gewesen, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit der eingeleiteten Reformen zu überzeugen".

Richtiggehend aggressiv keilte die Bundesagentur für Arbeit zurück. Der BdSt vermische "Zahlen unzulässig". So seien die 358.000 Euro nicht für Dienststempel, Briefbögen und andere Dinge im Zusammenhang mit dem neuen Logo ausgegeben worden, sondern vielmehr die Folge der vom Gesetzgeber beschlossenen Umbenennung der früheren Bundesanstalt für Arbeit zum 1. Januar 2004. Und die kritisierten 100.000 Euro umfaßten nicht nur ein neues Logo, sondern vielmehr ein Gesamtpaket für das neue Erscheinungsbild. Darunter auch ein Farborientierungssystem für Broschüren und die Neugestaltung von Informationsmaterial. Die Änderung des Logos habe nur 3.000 Euro gekostet.

Das mit bald 60 Milliarden Euro hochverschuldete Land Berlin muß an allen Ecken und Enden einsparen. Viele junge, frisch ausgebildete Polizisten können daher nicht ins Beamtenverhältnis übernommen werden. Dafür steigt die Anzahl frühestpensionierter Beamter rapide: In den Jahren 2000 bis 2003 wurden insgesamt 364 Beamte in jungen Jahren vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Allein die Kosten für die 2003 Frühestpensionierten belaufen sich auf etwa 1,2 Millionen Euro pro Jahr, denn die Mindestversorgung beträgt 1.226 Euro monatlich und liegt damit höher als die Durchschnittsrente eines Arbeiters nach 40 Jahren Beitragszahlung.

Der BdSt dokumentiert ein Beispiel: "Eine 27jährige Beamtin, die bisher keine gesundheitlichen Auffälligkeiten gezeigt hatte und deren Leistungen als sehr gut beurteilt wurden, begibt sich zehn Tage nach ihrer Verbeamtung auf Lebenszeit in psychiatrische Behandlung und wird nach längerer Krankheit wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Ihr 32jähriger Lebensgefährte wurde etwa zeitgleich aus ähnlichen Gründen frühpensioniert."

Auf heftige Kritik stieß das Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung 2005" bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Deren Vorstandsmitglied Jürgen Kurz erklärte, fünf Prozent Fehlentscheidungen seien "keine schlechte Quote", wenn man bedenke, wie viele Fehlinvestitionen und -entscheidungen es in der freien Wirtschaft gebe. Davor sei auch die öffentliche Hand nicht geschützt.

Wenngleich Kurz sicher damit recht hat, daß nicht jede Entwicklung absehbar war und manches anders kam, als man ursprünglich dachte, so ändert das nichts daran, daß viele der vom BdSt kritisierten Projekte unsinnig sind bzw. unprofessionell und fehlerhaft umgesetzt wurden. Und im Gegensatz zu Privatfirmen zahlen die Zeche nicht Aktionäre, die sich freiwillig beteiligt haben, sondern die Steuerzahler - damit also wir alle.

Foto: Wendeltreppe für Fische in Raisdorf/Holstein: 14 "Schwarzbuch"-Fälle im nördlichsten Bundesland


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