© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Entzauberung
Karl Heinzen

Zum ersten Mal seit 1953 ist die Österreichische Volkspartei (ÖVP) nicht mehr die stärkste Kraft in der Steiermark. Bei den Landtagswahlen wurde sie von den Sozialdemokraten überrundet, diese stellen nun den Landeshauptmann. Drittstärkste Kraft wurde die mit der Wiener Parteizentrale zerstrittene KPÖ, sie war bislang nicht im Parlament vertreten. Bei leichten Verlusten im Landtag verblieben sind die Grünen, die Rest-Freiheitlichen büßten knapp zwei Drittel ihrer Stimmen ein und stellen nunmehr keinen Abgeordneten mehr. Kläglich scheiterten sowohl Jörg Haiders Retortenpartei BZÖ als auch die Liste eines ÖVP-Dissidenten, die zeitweilig hoch gehandelt worden war.

So klein der steirische Mikrokosmos auch sein mag, so lehrreich ist das Wahlergebnis: Schwarze Hochburgen sind nicht uneinnehmbar, die traditionellen Milieus, auf die sie sich lange zu stützen vermochten, bleiben von Erosion nicht verschont. Insbesondere die Opposition in München mag aus den Grazer Zahlen Vertrauen in die Zukunft schöpfen. Auch die Alleinherrschaft der CSU ist nicht unerschütterlich. Vielleicht bietet sich sogar in Bayern die Chance zu einer demokratischen Erneuerung schneller, als man es derzeit zu hoffen wagt.

Vor allem aber ist es das miserable Abschneiden des rechten Randes, das als ein Signal aufgefaßt werden sollte. Die Menschen scheinen populistischer Demagogen überdrüssig zu sein, die Verbundenheit mit den Interessen und Nöten der von sozialer Deklassierung Bedrohten vortäuschen, um sie dann in bürgerlichen Bündnissen dem Schicksal zuzuführen, das der Neoliberalismus für sie vorgesehen hat. Sie vertrauen im Zweifelsfall dann doch lieber der Linken, zumal wenn sie sich, wie die steirische KPÖ, nicht in abstrakten Positionen sonnt, sondern pragmatisch den alltäglichen Sorgen der Wähler zuwendet.

Die Aussichten sind nicht schlecht, daß auch in Italien die Entzauberung des rechten Regierungsbündnisses im kommenden Jahr zu dessen Abwahl führen wird. Der Stillstand unter Berlusconi und die schamlose Indienstnahme des Staates für private Zwecke mögen dieses Lager vielleicht sogar auf längere Zeit ins Abseits stellen. Erfolg dürfen sich rechte Parteien nur noch dort versprechen, wo sie nicht durch Regierungsverantwortung genötigt werden, ihr Unvermögen unter Beweis zu stellen. Hier treffen sich ausnahmsweise ihre Interessen mit jenen der Bürger: Die Rechten bewahren den Nimbus der Unverbrauchtheit, und die Menschen bleiben von ihrer Politik verschont.


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