© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Von Zauber und Trauer
Kino: "Pommerland"
Martin Lichtmesz

Nach der Uckermark, Ostpreußen und Czernowitz widmet sich der 1944 in Stettin geborene Filmemacher Volker Koepp erneut der dokumentarischen Erkundung eines östlichen Genius loci und seiner Menschen. "Pommerland" zeichnet sich durch geduldige Beobachtung und eindrucksvolle Landschaftsfotografie aus. Dabei zieht sich das Motiv des Verlustes, der in Hinterpommern durch die Vertreibung entstanden ist, wie ein roter Faden durch den Film.

Im Zentrum steht ein junges polnisches Ehepaar, das ein verfallenes deutsches Gut wiederzubeleben versucht und eine herzliche Freundschaft zu einem preußischen Gentleman pflegt, dem 90jährigen Adolf-Heinrich von Arnim, der im Nachbarhof seine Kindheit verbrachte. Man trinkt auf den symbolischen Fall der Oder-Neiße-Grenze durch die EU-Erweiterung und eine gemeinsame Zukunft. Die Frau erklärt, daß sie die Deutschen mag und nie gehaßt hat, obwohl ihr Großvater Häftling in Auschwitz war. Auch die Polen seien "keine Engel" gewesen, und man dürfe die Jahrhunderte deutscher Kultur nicht vergessen.

Die 80jährige Frau Luise wiederum hat nach dem Krieg ein Jahr in einem polnischen Lager verbracht. Sie heiratete einen Polen und assimilierte sich völlig. Dank ihrer glücklichen Ehe bereute sie ihr Dableiben niemals, auch wenn die deutsche Sprache lange Zeit verboten war. Andere Sequenzen widmen sich einem polnisch-kaschubischen Ehepaar und einer polnischen Familie in schwieriger wirtschaftlicher Lage.

Koepp konzentriert sich auf das Alltägliche, Handfeste, Banale. Sein aufrichtiges Interesse an den Menschen wird dabei in jeder Einstellung spürbar. Vom "Pommerland" zeichnet er ein Porträt, das typisch für den von der Vertreibung betroffenen deutschen Osten ist: Zerfall, Landflucht und Armut verbinden sich mit dem ungebrochenen Zauber der Landschaft, über der der verschwindende Hauch einer amputierten Vergangenheit liegt.

Während Initiativen wie die "Größte Härte"-Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht in Polen (JF 40/05) weiterhin einseitig polarisieren, zeigt Koepp hoffnungsvoll, wie im Bewußtsein der gemeinsamen Geschichte freundschaftliche Handreichungen zwischen Polen und Deutschen im Gange sind.


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