© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Friedenssicherung
Karl Heinzen

Wider Erwarten hat Gerhard Schröder, der im Wahlkampf als Aspirant ins Gespräch gebracht worden war, den Friedensnobelpreis nicht erhalten. Geschadet hat ihm vermutlich die hochmütige Haltung, mit der er in Koalitionssondierungen gegangen ist. Würden sich alle Konfliktparteien auf der Welt so stur aufführen, wäre ein globaler Frieden in noch weiterer Ferne.

Die Auszeichnung ging statt dessen an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und Mohamed El Baradei, ihren Generalsekretär. Gewürdigt werden sollte damit wohl weniger ihre nur bedingt erfolgreiche Arbeit, sondern das, was man für ihren Auftrag hält: die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen über den exklusiven Kreis derjenigen hinaus zu unterbinden, die die Weltöffentlichkeit als Atommächte anzuerkennen gezwungen war. Leider ist damit das, was der IAEA tatsächlich obliegt, nur sehr ungenau beschrieben. Mit dem großen Sorgenthema Proliferation ist sie nur insoweit befaßt, als sie über die Einhaltung des 1970 geschlossenen Atomwaffensperrvertrages wacht. Und dies auch nur zum Teil. Zu überprüfen etwa, ob die offiziellen Atommächte ihrer Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung nachkommen, gehört nicht zu ihrem Arbeitsfeld. Sie beschränkt sich darauf, durch wenig effektive Inspektionen darauf zu achten, daß Staaten, die sich per Vertrag auf die zivile Nutzung der Kernenergie beschränken sollten, nicht insgeheim militärische Programme entwickeln. Falls sie derartige Ambitionen hegen, können sie sich dem Regime der IAEA aber sowieso durch den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag jederzeit entziehen. Die inoffiziellen Atommächte Israel, Indien und Pakistan sind ihm gar nicht erst beigetreten.

Angesichts dieses eher bescheidenen Beitrages der IAEA zur Nichtverbreitung von Nuklearwaffen wäre es nicht überraschend, wenn ein ganz anderer Aspekt für die Zuerkennung des Friedensnobelpreises ausschlaggebend gewesen wäre. Die Behörde kümmert sich nicht zuletzt darum, daß auch Entwicklungs- und Schwellenländer Zugang zu modernen Kerntechnologien erhalten, um ihr Land wirtschaftlich voranzubringen. Getragen wird sie dabei von dem alten, optimistischen Glauben, daß Atomenergie Wachstum und Wohlstand beschert - und auf diese Weise Konflikten vorbeugt. Unter diesem Gesichtspunkt mag man die Entscheidung des norwegischen Nobelausschusses tatsächlich als angemessen bezeichnen. Das Lob, das Joschka Fischer ihr angedeihen ließ, zeigt, daß er auch auf diesem Gebiet lernfähig war.


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