© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Unkonventionelle Kündigung
Entschädigungen: Der Preußischen Treuhand kommt der Rechtsbeistand abhanden
Peter Freitag

Die linke Tageszeitung (taz) frohlockte in der vergangenen Woche bereits über das nahende Ende der Preußischen Treuhand, jener Interessenvertretung Vertriebener, die vom polnischen Staat Wiedergutmachung beziehungsweise die Rückgabe enteigneten Eigentums einfordert. Grund für solche Mutmaßungen war zunächst eine abgesagte Pressekonferenz der Treuhand mit ihrem Rechtsbeistand, dann die überraschende Vertragskündigung des zuständigen Anwalts.

Überraschende Post vom Rechtsanwalt

Am Montag vergangener Woche erhielt der Treuhand-Vorsitzende Rudi Pawelka ein Schreiben des von ihm beauftragten Berliner Rechtsanwalts Matthias Druba, in welchem dieser lediglich um die Absage des für den darauffolgenden Donnerstag geplanten gemeinsamen Auftritts vor der Bundespressekonferenz bat. Begründung: Aufgrund mangelnder Einarbeitungszeit sehe sich der Jurist noch nicht in der Lage, die Sachverhalte vollständig zu überschauen, er brauche ferner noch Zeit für die Durchsicht eines weiteren Rechtsgutachtens.

Auch gibt Druba in seinem Schreiben an Pawelka zu bedenken, daß der Termin für die ursprünglich geplante Pressekonferenz aufgrund der Stichwahl zum polnischen Präsidenten ungünstig sei, da der rechtsnationale Bewerber Lech Kaczynski aus den Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener politisches Kapital schlagen könne. Die durch die Absage entstehenden Kosten, so der Anwalt weiter, werde seine Kanzlei übernehmen.

So weit, so gut. Dann erfährt Treuhand-Chef Pawelka jedoch durch einen Anruf eines Reporters der taz, daß Drubas Kanzlei ihr Mandat niederlegen und nicht mehr für die Entschädigungsklagen der Vertriebenen zur Verfügung stehen werde. Pawelka zeigt sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT daraufhin überrascht, nicht nur wegen des offensichtlich "über Nacht" hereingebrochenen Sinnenswandels seines Rechtsbeistands, sondern vor allem auch wegen der - gelinde gesagt - unkonventionellen Form der Kündigung via taz. Erst am Dienstag vergangener Woche erreicht die Preußische Treuhand dann ein Schreiben von Anwalt Druba, in welchem er das bereits von Dritten Berichtete bestätigt. Man habe, teilt er mit, die Vorgänge im Kreis der Partner ausführlich erörtert und sei danach zu dem Schluß gerkommen, daß eine weitere juristische Begleitung der Anliegen der Preußischen Treuhand nicht möglich sei.

Pawelka äußerte im Gespräch mit dieser Zeitung, die Preußische Treuhand halte sich die Option offen, nun juristisch gegen den Rechtsanwalt vorzugehen. Laut Vertrag sei eine Kündigungsmöglichkeit für die Anwaltskanzlei nur im Falle eines Fehlverhaltens der Preußischen Treuhand vorgesehen gewesen.

Daß von seiten anderer Klienten der Kanzlei, die auch die Erben der Kaufhaus-Dynastie Wertheim bei Entschädigungsklagen vertrat, Druck ausgeübt worden sei, das Mandat niederzulegen, hält Pawelka für eher unwahrscheinlich. Bereits zu Beginn der Vertragsverhandlungen habe man den Anwalt auf den "politischen Wirbel" aufmerksam gemacht, der durch die Entschädigungsforderungen der Preußischen Treuhand aller Wahrscheinlichkeit nach entstehen werde. Zum damaligen Zeitpunkt war dies für Anwalt Druba offensichtlich noch kein Problem. Für eine Stellungnahme war er bis Redaktionsschluß nicht zu erreichen.

Anlaß zur Sorge über den weiteren Fortgang der Arbeit der Preußischen Treuhand sieht Pawelka nicht. Bereits zu Zeiten des Vertragsabschlusses mit Druba sei man übereingekommen, mehrgleisig zu fahren und für andere Instanzenwege auch andere Anwälte zu beauftragen. Somit stehe mitnichten - wie die taz unkte - die Treuhand ohne juristischen Beistand da. Welcher Art diese Mehrgleisigkeit ist, wollte Pawelka auf Nachfrage der JF aus Gründen der Diskretion jedoch nicht im Detail bekanntgeben - nur soviel: Außer an die polnische werde man sich möglicherweise auch an die deutsche Regierung halten, und außerdem stehe noch die Möglichkeit offen, vor Gerichte in den Vereinigten Staaten zu ziehen.

Pawelka hält an den Zielen der Organisation fest

Daher wehrt sich Rudi Pawelka auch gegen den in Teilen der Presseberichterstattung entstandenen Eindruck, die Aktionäre der Preußischen Treuhand hätten in ein aussichtsloses Projekt investiert: "Wir sehen unsere Ansprüche durch Gutachten unabhängiger Rechtswissenschaftler gedeckt", sagte Pawelka gegenüber der JF. Und selbst der renommierte Berliner Rechtsanwalt Michael Witti, der durch die Vertretung zahlreicher ehemaliger Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus bekannt wurde, hielt einen Erfolg von Klagen deutscher Vertriebener auf Rückgabe ihres Eigentums nicht für abwegig.


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