© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Stürmer, die im Abseits stehen
Stefan Winckler untersucht die Vertreter der konservativen Intelligenz, ihre Positionen und deren Rezeption in der Bundesrepublik
Klaus Motschmann

Die politische, publizistische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konservatismus und der politischen Rechten hat wegen der strengen ideologisch-volkspädagogischen Auflagen seit 1945, vor allem aber seit 1969 zu einer perfekten Verwirrung einstmals selbstverständlicher Mindeststandards der politischen Kultur geführt. Von einer einigermaßen befriedigenden Behandlung dieses Themas kann deshalb schon seit langem keine Rede mehr sein.

Selbst unzweifelhaft seriöse Darstellungen, die es ja trotz allem immer noch gibt, werden grundsätzlich zunächst einmal unter Ideologieverdacht gestellt und in denunziatorischer Absicht mit dem Odium des "Mißbrauchs der Wissenschaft und der Meinungsfreiheit" behaftet. An Versuchen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, hat es nicht gefehlt. Noch Anfang der achtziger Jahre war die CDU von der Notwendigkeit einer "geistig moralischen Wende" überzeugt und ist mit dieser Losung 1983 zur Bundestagswahl angetreten. Die Wahl hat sie bekanntlich gewonnen. Die mit dieser Losung verbundenen Verheißungen erfüllten sich jedoch nicht, weil das öffentliche Meinungsklima inzwischen im wesentlichen von der 68ern und ihren Sympathisanten bestimmt wurde. Es genügt für diesen Zusammenhang die Erinnerung an den "Historikerstreit" Mitte der achtziger Jahre.

Entsprechende Erwartungen, die mit der sogenannten Wende nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus verbunden waren, erfüllten sich ebenfalls nicht. Die sogenannte Wende hat zwar zu einer vorübergehenden Irritation der intellektuellen und der politischen Linken geführt und damit zu einem vorübergehenden Wechsel des Meinungsklimas, aber nicht zu einem dauerhaften Paradigmenwechsel. Im Gegenteil.

Es ist der Linken erwartungsgemäß - sofern man ihre bewährten Methoden der Herrschaftssicherung und politischen Taktiken der Herrschaftsausbreitung berücksichtigt - rasch gelungen, ihre im Laufe des "Langen Marsches durch die Institutionen" erreichten Positionen nicht nur zu behaupten, sondern auszubauen und so die Meinungsführerschaften zu sichern.

Dazu gehört vor allem die Behauptung des Definitionsmonopols politischer Begriffe, nach einer jahrhundertealten Grundregel aller politischer Philosophie eine entscheidende Voraussetzung des Machterwerbs, der Machtausübung und des Machterhalts.

In dieser Absicht werden die Begriffe "Konservatismus" und "Rechts" von der Linken definiert, und zwar so, daß sie inzwischen im öffentlichen Sprachgebrauch weitgehend als Synonym für Faschismus verstanden werden (sollen). Auf diese Weise markieren sie einen Standpunkt außerhalb des sogenannten Verfassungsbogens der "anständigen Deutschen", der nach den Bestimmungen des Grundgesetzes eigentlich nur vom Bundesverfassungsgericht bestimmt werden kann. Nun kommt es zum Verständnis dieses Themas allerdings nicht allein auf die "Definitionen" an, sondern auch darauf, ob sie von der Mehrheit und vor allem in den Medien akzeptiert werden. Das ist heute mehrheitlich der Fall.

Damit ist das Thema der Studie Stefan Wincklers angesprochen. Er behandelt mit wissenschaftlicher Akribie - dabei aber allgemein verständlich - die wesentlichen Ursachen dieser Entwicklung. Sie sollte, um das Fazit seiner Untersuchung vorwegzunehmen, nicht allein aus den Sprachregelungen der Linken erklärt werden, sondern auch aus dem Versagen der Konservativen. Die jahrzehntelange Stigmatisierung der "Rechten" hat dazu geführt oder verführt, daß sich viele Konservative zunächst semantisch, dann aber auch politisch-organisatorisch von der politischen Rechten absetzten. Sie haben damit einen "Distanzierungsreflex" zur politischen und intellektuellen Rechten entwickelt, dessen Funktionsfähigkeit von Zeit zu Zeit immer wieder unter Beweis gestellt wird. Dazu gehört vor allem die ständig wiederholte Beteuerung, daß "rechts von der CDU keine demokratisch legitimierte Partei entstehen darf", - auch hier eine offenkundige Mißachtung des Grundgesetzes, nach dem die Gründung von politischen Parteien frei ist.

Gerade wenn man der verbreiteten These zustimmt, daß das Aufkommen des Rechtsextremismus "auch eine Reaktion auf das Versagen der demokratischen Rechten ist, dann müßte jeder, dem etwas an der Zukunft der Demokratie in Deutschland liegt, das Wiedererstehen einer kraftvollen demokratischen Rechten wünschen" (Rainer Zitelmann). Das ist aber nicht der Fall. Deshalb wurden alle hoffnungsvollen Ansätze einer Formierung der "demokratischen Rechten" durch den gemeinsamen Kampf gegen Rechts (unter beachtlicher Beteiligung der CDU) an ihrer Entfaltung gehindert.

Winckler beschreibt diese Ansätze nach einer sorgfältigen Analyse der Beiträge maßgebender Repräsentanten der demokratischen Rechten: Botho Strauß und Rainer Zitelmann, Ulrich Schacht und Heimo Schwilk, Klaus Rainer Röhl und Karlheinz Weißmann. Trotz sehr unterschiedlicher Herkunft (teilweise aus dem linken politischen Spektrum) stimmen sie darin überein, sich nicht den Spielregeln der politischen Linken zu unterwerfen, sich aber auch nicht nach verbreiteter konservativer Manier in "Nischen" zurückzuziehen.

Im Interesse einer Neuordnung Deutschlands nach der sogenannten Wende komme es vielmehr darauf an, mit dem gleichen Selbstbewußtsein wie die demokratische Linke für eine demokratische Rechte einzutreten. Dies um so mehr, als die CDU sich selber als Partei der Mitte versteht. Wer aber definiert diese Mitte? "Durch welches Wunder der politischen Geometrie kann eine Linke ohne eine Rechte noch eine Mitte hervorbringen?" Wenn die Rechte insgesamt keinen Platz im vielzitierten Verfassungsbogen findet, dann wird die jetzige Mitte über kurz oder lang als Rechte definiert - und alle Kampagnen und Aktionen "gegen Rechts" richten sich dann gegen sie. Die Geschichte der Volksfrontpolitik bietet reiches Anschauungsmaterial, aber auch in der gegenwärtigen Diskussion lassen zahlreiche Äußerungen aufhorchen, wenn die CDU entgegen ihrem Selbstverständnis als konservativ und rechts bezeichnet wird. Ein reiches Literaturverzeichnis regt zur vertiefenden Lektüre dieser Sachverhalte an.

 

Männer beim Pferderennen in Ascot: Stigmatisierung der Rechten

Stefan Winckler: Die demokratische Rechte. Entstehung, Positionen und Wandlungen einer neuen konservativen Intelligenz. Europäisches Forum, Band 14. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, 187 Seiten, broschiert, 39 Euro


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