© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Aufgeschnappt
Gekaufte Unfreiheit
Matthias Bäkermann

Ursprünglich sollte es eine Strafe sein. Aber zunehmend gehörte eine Haft im Karzer der Universität sogar zum Renommee eines selbstbewußten Studenten. Dort saß man in einer kleinen Zelle mit Tisch, Stuhl und Strohsack einige Tage ein, wenn man gegen die Regularien der in der Universität verfügten "Bürgerlichen Ordnung" verstoßen hatte - allermeistens wegen Trunkenheit.

An der altehrwürdigen Göttinger Georgia Augusta hat es zwischen 1837 und 1933 einen Karzer im hinteren Westflügel der Universität gegeben, in dem sich Generationen von Studenten mit Wandzeichnungen, Schattenrissen, Verbindungswappen und sogar politischen Parolen verewigt haben. Prominentester Insasse war Otto von Bismarck, der wegen seiner fechterischen Rauflust insgesamt 18 Tage in einem der acht Zellen Buße tun mußte war.

Diese sind inzwischen im Bestand gefährdet, die Wandgemälde verblassen zusehends. Da öffentliche Mittel begrenzt sind, hat Uni-Präsident Kurt von Figura nun aufgerufen, eine Patenschaft für einen oder mehrere Quadratmeter Karzerwand zu übernehmen. Damit soll die etwa 80.000 Euro teure Sicherung der Bausubstanz und detailgenaue Rekonstruktion der Zeichnungen finanziert werden. 200 Euro kostet der Quadratmeter, die ganze Zelle kann für 8.000 Euro symbolisch erworben werden. Dann könnte man auch ohne Freiheitsverlust renommieren. 


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