© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/05 04. November 2005

Jesus auf Besuch bei Frau Antjes Uroma
Fest der Malerei: In Düsseldorf endet eine Ausstellung mit Gemälden des 16. bis 18. Jahrhunderts aus den Niederlanden
Manfred Müller

Düsseldorf-Touristen lassen sich gerne an Grupellos Reiterstandbild des Kurfürsten Jan Wellem vor dem Rathaus der Landeshauptstadt von NRW fotografieren Dabei dürften die meisten von ihnen gar nicht wissen, um wen es da sich handelt.

Der Kurfürst Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1658-1716) galt in seiner Geburts- und Residenzstadt Düsseldorf als sehr volkstümlich, und so nannte man ihn im Volksmund (Platt mit etwas niederländischem Einschlag) Jan Wellem. Verheiratet war Jan Wellem in erster Ehe mit einer habsburgischen Kaisertochter, in zweiter Ehe mit der Erbin des Hauses Medici, Anna Maria Luisa von Toskana. Eine prunkvolle Hofhaltung und ein großzügiges Mäzenatentum kennzeichneten diesen Erbtruchseß des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Er ließ an sein Schloß einen Flügel anbauen, in dem seine Gemäldegalerie untergebracht wurde. Neben diesem Gemäldeflügel wurde auch das Jagd- und Lustschloß in Bensberg bei Köln großzügig mit nordniederländischen ("holländischen") und südniederländischen ("flämischen") Kunstwerken ausgestattet. Besonderen Glanz hatte die Rubens-Sammlung in Düsseldorf. Ein Großteil dieser Gemälde gelangte 1808 in die Alte Pinakothek München.

Zu den Hofmalern Jan Wellems gehörte der angesehene Porträtist Jan Frans Douven, der auch regen Anteil am Aufbau der Gemäldegalerie hatte. Der hochbezahlte Adraien van der Werff schuf für seinen Gönner einen umfangreichen Gemäldezyklus. Aus dem Jahr 1778 datiert ein Werkkatalog mit Stichen der kurfürstlichen Galerie. Hievon ließ sich die Museumsleitung anregen, als sie das "Fest der Malerei" konzipierte.

Für diese Ausstellung wurden neben 37 Leihgaben fast 200 niederländisch-flämische Gemälde des 16. bis 18.Jahhunderts aus eigenen Beständen zusammengestellt. Dabei kamen auch Werke, die lange im Depot keine Beachtung gefunden hatten oder sogar als verschollen galten, wieder oder eben erstmals ans Licht der Öffentlichkeit. Andere Werke erfuhren mit der Ausstellung eine Neuzuschreibung oder können nach einer erforderlichen Restaurierung in neuem Licht betrachtet werden.

So stellt man schnell fest, daß das angekündigte "Fest der Malerei" zu einem Fest der Sinne und der Sinnlichkeit gerät. Zugleich wird deutlich, wie stark der kulturelle Einfluß des gesamt-niederländischen Raums (auffällig vieler Maler aus Antwerpen!) auf Düsseldorf war. Insgesamt eine wahre Augenweide: neben großformatigen Historienbildern von C.B. van Everdingen bis Jan Victoors, neben der üppigen Pracht reicher Stillleben von J.P. Brueghel bis Frans Snyders, den virtuos ausgeführten Bildern der Leidener Feinmaler Frans und Willem van Mieris und den Genreszenen von Cornelis Dusart und Adriaen van Ostade runden vor allem die stimmungsvollen Landschaftsbilder von Jan van Goyen, Joos de Momper und Jacob I. van Ruisdael den Blick auf das "goldene Zeitalter der Malerei" ab.

Die Greueltaten der Konfessionsauseinandersetzungen und des niederländischen Freiheitskampfes gegen Spanien bleiben nicht ganz ausgespart. Zweimal wird eine Allegorie "Kuß von Gerechtigkeit und Friede" präsentiert, Ausdruck der Friedenssehnsucht vor dem Hintergrund blutigen Gemetzels. Dieses kommt drastisch ins Bild auf einem Gemälde von Sebastian Vrancx ("Die Plünderung des Dorfes Wommelgem").

In Gemälden van Douvens und van der Werffs ist ihr Mäzen Jan Wellem zu bewundern, der weit mehr als ein kleiner regionaler Potentat war, wenn auch seine Versuche scheiterten, im Spiel der großen europäischen Mächte mitzumischen. Seiner Reichstreue tat dies keinen Abbruch. Für die Fortschritte der Gegenreformation in der Regierungszeit Jan Wellems könnte das triumphale Monumentalgemälde "Himmelfahrt Mariae" von Peter Paul Rubens stehen.

1788 besuchte Thomas Jefferson, der spätere US-Präsident, die Düsseldorfer Schloßgalerie und wurde von Adriaen van der Werffs "Verstoßung der Hagar" besonders angerührt. Bestimmte biblische Themen waren bei Malern und Auftraggebern beliebt, weil sie erotische Malerei ermöglichten, wie in dieser Ausstellung unter anderem "Joseph und die Frau des Potiphar", "Der verlorene Sohn bei den Dirnen" veranschaulichen. Auch antike Motive ließen sich so gestalten ("Die Frau des Kandaules entdeckt den versteckten Gyges").

Ein deftiges niederländisches Küchenstilleben konnte biblisch arrangiert werden, so etwa wenn durch einen Blick auf den Hintergrund klarwird, daß es sich um den Besuch Jesu bei Maria und Martha handelt. Auch Blumen-Stilleben konnten eine biblische Zuordnung erfahren, so "Der Englische Gruß" oder "Ecco homo". Bei zahlreichen Bildern der Genremalerei muß man schon Kenner sein, um moralische Mahnungen und humorige Anspielungen entschlüsseln zu können, die den Zeitgenossen durchaus verständlich waren.

1999 zeigte die Krefelder Ausstellung "Onder den Oranje boom" den niederländischen Einfluß auf den Niederrhein sehr stark unter historisch-politischen Gesichtspunkten. Die jetzige Düsseldorfer Ausstellung setzt andere Akzente, bietet aber aufgeschlossenen Besuchern ähnlichen Kunstgenuß und Erkenntnisgewinn.

Die Ausstellung im Düsseldorfer Museum Kunst Palast, Ehrenhof 4-5, endet am 6. November.

Bild: "Der Seifenbläser" von Frans van Mieris


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