© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

PRO&CONTRA
Brauchen wir eine allgemeine Dienstpflicht?
Peter Tauber / Holger Zastrow

Die Wehrpflicht ist tot. Nicht nur, weil der Rückhalt für diesen nach wie vor auch sicherheitspolitisch notwendigen Dienst bröckelt, sondern weil wir umgeben von Freunden und Verbündeten deutlich weniger Soldaten brauchen als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Die Wehrgerechtigkeit ist daher der Punkt, an dem die Wehrpflicht zu scheitern droht. Dem Bekenntnis und der Notwendigkeit, den Bürger zu einem aktiven Dienst für sein Gemeinwesen heranzuziehen, würde die Legitimation entzogen. Damit wäre auch der Zivildienst bedroht, von dem behinderte, alte und kranke Menschen profitieren.

Gerade in einer Zeit, die durch einen ständigen Wandel geprägt ist, muß der Staat deutlich machen, daß sich die Aufgaben des Bürgers eben nicht auf das Wählengehen und Steuernzahlen beschränken. Eine aktive Teilnahme am Wohl unseres Landes verlangt mehr. Hinzu kommt: In einem ärmer werdenden Land sind wir noch mehr auf den ehrenamtlichen Einsatz gerade auch junger Menschen angewiesen. Studien haben ergeben, daß sich junge Menschen, die ihren Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, in deutlich höherem Maße ehrenamtlich einbringen. Die allgemeine Dienstpflicht fördert das Bewußtsein der Verantwortung des Einzelnen für unser Vaterland. Junge Menschen lernen soziale Kompetenzen und erschließen sich mögliche Berufsfelder, mit denen sie sonst unter Umständen nicht in Berührung gekommen wären. Darüber hinaus eröffnet sie jungen Menschen neue Chancen zur Persönlichkeitsentwicklung. Durch die geplante Verkürzung der Schulzeit und Straffung des Studiums muß die Ausbildungszeit aber so verkürzt werden, daß dieser positive Effekt nicht wieder verlorengeht. Schließlich muß gewährleistet sein, daß junge Menschen mit einer positiven Einstellung zum Dienst und dem Wissen um den Nutzen für unser Land ihre Pflicht tun.

 

Peter Tauber ist Landesvorsitzender der Jungen Union Hessen. Internet: www.petertauber.de

 

 

Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht erinnert mich an Zeiten, die Gott sei Dank vorbei sind. Ein allgemeiner Zwangsdienst, wie man die Dienstpflicht ehrlicherweise nennen muß, ist nicht nur verfassungswidrig, er würde mehr Schaden als Nutzen bringen.

Schon die Wehrpflicht ist ein überholtes Relikt der Geschichte. Die internationale Entwicklung geht in Richtung schlagkräftiger Berufsarmeen. Nicht einmal jeder zweite junge Mann eines Geburtsjahrgangs leistet noch Grundwehr- oder Wehrersatzdienst. Wehrgerechtigkeit gibt es nicht mehr.

Aber werden junge Zwangsdienstleistende nicht vor allem im sozialen Bereich dringend gebraucht? Werden sie nicht! Vielmehr fehlt es an hochmotivierten, gutausgebildeten Fachkräften. Ein Heer staatlich subventionierter Amateur-Pfleger für Alte und Kranke kann die Probleme unserer alternden Gesellschaft nicht lösen.

Und schließlich würde ein Zwangsdienst jungen Menschen kostbare Zeit in einer wichtigen Phase ihres Lebens rauben. Deutschland gehört bereits jetzt bei der Lebensarbeitszeit zu den Schlußlichtern: Wir haben die ältesten Studenten und die jüngsten Rentner. Eine Dienstpflicht würde die Probleme der sozialen Sicherungssysteme weiter verschärfen. Besonders junge Frauen haben auch ohne einen staatlichen Zwangsdienst enorme Probleme, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Sie sind in ihren Chancen behindert. Solange sich viele Frauen zwischen Karriere und Kindern entscheiden müssen, bleibt die Familienplanung zu oft auf der Strecke. Bereits jetzt setzt die Politik kaum Anreize, das zu ändern.

Ob wir dieses Problem in den Griff bekommen, wird für Deutschland entscheidend sein. Eine allgemeine Dienstpflicht könnte schädlicher nicht sein, für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Wir müssen neue, moderne Gesellschaftskonzepte entwickeln, nicht aber das Rad der Geschichte zurückdrehen.

 

Holger Zastrow ist Landesvorsitzender der FDP Sachsen und Mitglied des Sächsischen Landtages. Internet: www.fdp-sachsen.de


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