© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

Ringen um Vertrag und Gebot
Weniger Parabel, mehr Paradigma: D. Kriefs "Walküre" im Badischen Staatstheater
Andreas Strittmatter

Rostrote Stahlelemente als Signum der Götterwelt, Holzkonstruktionen für die Lebenswirklichkeit der Menschen, dazu eine ins Archetypische gewendete Symbolik mit Kreisen und Geraden, hie weißen oder da schwarzen Segeln: "Der Ring des Nibelungen", an dem das Badische Staatstheater Karlsruhe seit Jahresfrist schmiedet, betont den Mythos und stellt sich damit, beinahe deucht es trotzig, konträr zu den andernorts sehr gefragten diskursbefrachteten Konzepten. Diese wurden, dem vorherrschenden Zug der Zeit entsprechend, beispielswegen im benachbarten Stuttgart vor geraumer Zeit von gleich vier verschiedenen Regisseuren durchdekliniert.

In solch rezeptionsgeschichtlichem Sinn ist Richard Wagners "Bühnenfestspiel", wie es Denis Krief (als Regisseur auch sein eigener Kostüm- und Bühnenbildner) nun in Karlsruhe innerhalb von drei Spielzeiten erarbeitet, weniger Parabel und mehr Paradigma - auch wenn das etwas altmodisch und wenig "heutig" scheinen mag. Auch "Die Walküre" als jüngste Premiere betont das Überzeitliche, das aller Zeit Maß und Richtung weisen kann. Die meist unverstellte Strenge des Konzepts erinnert etwas an die Arbeiten Wieland Wagners im Bayreuth der ersten Nachkriegsjahre.

Bei Krief läuft das auf eine im besten Sinn von solidem Handwerk zeugende Personenregie hinaus, die im Verbund mit der unprätentiös-abstrahierenden Optik das Wesentliche auf den Punkt bringt. Die Regie glaubt an den inneren Konflikt einer verwundeten Welt - und hält das Publikum für klug genug, daß es aus dem Ringen um Vertrag und Gebot und aus dem Scheitern in schuldhafter Verstrickung selbst die jeweiligen Konsequenzen ziehen kann.

An pädagogischen Aktualisierungen versucht sich Krief daher nicht einmal andeutungsweise. Das schnörkellose Szenario unterstützt das Drama in der Musik und läßt diesem Raum, sich zu entfalten. Muß man das betonen? Durchaus - angesichts manch anderer Regiearbeiten, die das Publikum abseits der Musik allein schon visuell so intensiv zudröhnen, daß vor lauter Sehen das Hören vergeht.

Zu Ohren kommt ein frischer, erstaunlich leichter Wagner-Klang, verantwortlich dafür zeichnen die Badische Staatskapelle und deren Generalmusikdirektor Anthony Bramall. Letzterer bevorzugt flüssige, aber nicht verhetzte Tempi. Karlsruhe setzt vor allem auf junge und frische Stimmen, und für diese findet der Dirigent zu guter Balance zwischen opulentem Klang und stimmfreundlicher Zurückhaltung. Vielleicht hängt es auch mit dieser Rücksichtnahme zusammen, daß Bramall in seinem epischen Dirigat, welches die Musik (und die Sänger!) atmen läßt, gelegentlich auch Höhepunkte und Zuspitzungen verschenkt. So haftete Siegmunds "Wälse"-Rufen eine orchestral geradezu prosaische Beiläufigkeit an, der weder die "höchste Not" abzulauschen war noch, "was wütend das Herz noch hegt". Wunderbar hingegen der Feuerzauber, den die Staatskapelle am Ende um und über den Walkürenfelsen zauberte - leichter, züngelnder, knisternder dürfte die "wabernde Lohe" kaum in Klang zu verwandeln sein.

Im Ensemble erwies sich vor allem das Wälsungenpaar als vokaler Volltreffer: Höhengewaltig Edith Haller als Sieglinde, markig Klaus Florian Vogt als Siegmund - der für diese Rollen notwendige lyrisch-jugendliche Schmelz war zudem beiden überreich gemein. Caroline Whisnant konnte ihrer Brünnhilde nicht nur walkürengerechte Stentortöne, sondern auch einige wunderbare Piano-Momente zugestalten. Thomas Johannes Mayer hat als Walküren-Wotan noch einen Weg vor sich. Seine Stimme ist für die ausdauernden Belastungen dieser Partie gut gerüstet und bewältigt die Herausforderung bis zum letzten Takt ohne Ermüdungserscheinungen, das baß-baritonale Fundament und die für diese Rolle nötige Ausladung des Organs muß sich Mayer aber noch intensiver gewinnen. Die insgesamt teilweise mehr als beachtlichen vokalen Leistungen der Karlsruher Besetzung (bis hin zu Wotans Walkürenriege) wurden durch Silvia Hablowetz (Fricka) und Ulrich Schneider (Hunding) glücklich abgerundet.

Mit seinem bislang reichlich an der Vorlage entlang und randalefrei inszenierten Ring wird Karlsruhe gewiß nicht "Opernhaus des Jahres". Sehen lassen kann sich Kriefs Arbeit aber allemal. Und vor allem ob der mutigen vokalen Besetzung, in der es trotz vieler frischer Ring-Debütanten keinen einzigen Ausfall gibt, entwickelt sich diese Tetralogie augenblicklich zu einer der hörenswertesten Wagner-Manifestationen in deutschen Landen.

Die nächsten Vorstellungen im Badischen Staatstheater Karlsruhe, Baumeisterstr. 11, finden statt am 20. November und 10. Dezember sowie am 8. Januar 2006 jeweils um 17 Uhr. Karten unter Tel. 07 21 / 93 33 33, Internet: www.staatstheater.karlsruhe.de

Fotos: Wälsungenpaar Sieglinde (Edith Haller) und Siegmund (Klaus Florian Vogt): Vokaler Volltreffer, Brünnhilde (Caroline Whisnant), Wotan (Thomas Johannes Meyer)


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen