© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/05 18. November 2005

Jürgen Elsässer
Der Anti-Antideutsche
von Werner Olles

Müßte das Privatfernsehen, die größte gesellschaftliche Katastrophe nach 1945, nicht verstaatlicht werden?" - Jürgen Elsässer ist mittlerweile immer wieder für die Formulierung konservativer Wahrheiten im linken Milieu gut. Dabei hat der Edellinke, Jahrgang 1957, seine Sturm- und Drangjahre im Hamburger Kommunistischen Bund (KB) verbracht, aus dem auch Jürgen Trittin stammt. Und unter seiner Führung kam es 1997 in der Redaktion der ehemaligen FDJ-Zeitung Junge Welt zur Abspaltung der sogenannten "antideutschen" Fraktion und der Gründung der Wochenzeitung Jungle World als deren Hausblatt. 1999 wechselte der umtriebige Journalist und Buchautor in die Redaktion des extrem linken Magazins Konkret, bis zum Zerwürfnis 2002 nach zermürbende Auseinandersetzungen über die politisch korrekte Redaktionslinie. Anders als Herausgeber Herbert L. Gremliza lehnte Elsässer den Irak-Krieg als "imperialistisch" ab und mochte auch dessen Einschätzung der Friedensbewegung als "deutsch-national" nicht teilen.

Seit seiner Rückkehr in den Schoß der Traditionslinken beziehungsweise des Arbeiterbewegungs-Marxismus, als dessen Zentralorgan die Junge Welt fungiert, hat der intellektuelle Gründer des antideutschen Spektrums deutlich an politischer Statur gewonnen. Hatte er einst noch unter dem donnernden Applaus seiner Kumpane den Wunsch geäußert, Polen solle an Frankreich grenzen, und die Wiedervereinigung als die Katastrophe schlechthin bezeichnet, weil sie das "Schlechte von Ost und West" zusammengeführt habe, kritisiert er inzwischen seine früheren Genossen als ideologische Geisterfahrer, die jede Form von Kapitalismuskritik manisch als Antisemitismus denunzierten. Die Antideutschen seien "ganz simpel proamerikanisch", wettert Elsässer: "Mitmacher sind's, Einheizer, Antreiber, Lumpenintelligenzija eben, Fischermen." Die Grünen sieht er gar als "Abhub der verkommensten Subjekte aller Klassen ... absolut zudringlich und absolut käuflich", und Joseph Fischer definiert er in Anlehnung an Marx geradezu brillant als "Charaktermaske einer Gesellschaftsklasse der Lumpenintelligenzija".

Aktuell wandelt der Wandlungsfähige auf den Spuren des links-sozialistischen Hoffnungsträgers Oskar Lafontaine. Jüngst lud er ihn in der Jungen Welt zum Interview, im Sommer griff er in einem Kommentar dessen "Fremdarbeiter"-These auf und thematisierte dort unter anderem "die brennenden, aber tabuisierten Probleme der Masse, unter anderem die vom Großkapital geförderte Einschleusung von Billiglöhnern aus den östlichen EU-Kolonien". So liest sich Zuwanderungskritik "auf links". Hellsichtig bemerkte er jedoch, daß "der große Rest der Linkspartei" nicht in der Lage sei, das Probleme anzupacken. So plädiert er für einen Populismus als "vernünftige Alternative zum Sektierertum" einerseits und zum "Opportunismus ... der Latte-Macchiato-Linken" andererseits. Ob das wirklich reicht?


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