© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/05 18. November 2005

Meldungen

Marx nannte sie noch "Lumpenproletariat"

ZÜRICH/PARIS. Anläßlich der Unruhen in Frankreich hat Spiegel-Autor Henryk M. Broder Innenminister Nicolas Sarkozy verteidigt. Er wies die Kritik linker Politiker zurück, der Chef der französischen Regierungspartei UMP habe "Öl ins Feuer" gegossen, als er die Randalierer als racaille ("Gesindel") bezeichnet hat. "Gewiß kein feines Wort, aber welchen Begriff hätte Sarkozy denn gebrauchen sollen? 'Unterprivilegierte Modernisierungsverlierer'? Oder: 'Angehörige der bildungsfernen Schichten', wie man neuerdings jene umschreibt, die Marx noch in aller Klarheit 'Lumpenproletariat' genannt hat?", schrieb Broder in der Zürcher Weltwoche. "Wieso sind es immer Angehörige derselben Gruppe, die als 'Einwanderer aus dem Maghreb' beschrieben werden, die so unglücklich sind, daß sie Dutzende von Bussen abfackeln müssen, mit denen andere zur Arbeit fahren?" so Broder. "Wo sind zuletzt Chinesen, Vietnamesen oder Inder auf die Straße gegangen?" Man müsse fragen, warum "Ehrenmorde" wegen verletzter "Familienehre" in Deutschland milieuspezifisch sind. "Nicht jeder, der keinen Job und keine Perspektive hat, ist ein Opfer der Gesellschaft. Viele sind einfach nur Opfer ihrer Eltern. Familienbande können auch ein Fluch sein."

 

Österreichischer Paß nach sechs Jahren

WIEN. Das unter der Ägide von Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) ausgearbeitete neue Staatsbürgerschaftsgesetz ermöglicht Einbürgerungen nach sechs Jahren. Bislang konnten den österreichischen Paß EU-Ausländer, Asylbewerber oder Ehegatten nach einer Wartefrist von maximal fünf Jahren erhalten. Andere Bewerber können nach zehn Jahren eingebürgert werden. Bei "erfolgreicher Integration" besteht nun ab 15 Jahren legalem Aufenthalt ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung, nach 30 Jahren muß der Paß gewährt werden. Bei Asylbewerbern beginnt die Frist mit dem Zulassungsverfahren. Der geforderte Deutschtest (Niveau 4. Klasse Hauptschule) wird mündlich durchgeführt. Bei Kindern genügt der Schulbesuch, ab der 5. Klasse eine positive Zeugnisnote im Fach Deutsch. Ausschlußgründe für die Einbürgerung sind der Bezug von Sozialhilfe, Delikte wie Fahren ohne Führerschein oder Haftstrafe für ein Vorsatzdelikt.

 

Niederlage für Gegner der EU-Verfassung

PARIS. 55 Prozent der Mitglieder der französischen Sozialisten (PS) haben in einer Urabstimmung für den Entschließungsantrag von PS-Chef François Hollande votiert. Die sogenannten Reformsozialisten der Nouveau Parti Socialiste (NPS) um Arnaud Montebourg und Vincent Peillon erreichten 25 Prozent. Nur 20 Prozent stimmten für den Antrag von Ex-Premier Laurent Fabius. Kommendes Wo-chenende soll auf einem Parteitag in Le Mans die neue PS-Führung gewählt werden und eine Positionierung in bezug auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen 2007 erfolgen. Hollande ist ein Befürworter, NPS und Fabius sind Gegner der EU-Verfassung, die am 29. Mai in einem Referendum abgelehnt wurde.


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