© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Frisch gepresst

Martin Heidegger. Überaus "symbadisch" lächelt uns Gertrud Heidegger, die Enkelin des Seins-Denkers, auf der Innenseite des Schutzumschlags entgegen. Dieses Lächeln entwaffnet jeden Kritiker. Dieser Frau kann niemand übel wollen. Schon gar nicht sollte man ihre Edition der Briefe ihres Großvaters an ihre Großmutter ("Mein liebes Seelchen!" Briefe Martin Heideggers an seine Frau Elfride 1915-1970, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005, 416 Seiten, 22,90 Euro) mit der wissenschaftlichen Elle messen. Zumal mit der Wahl des Verlages von vornherein nicht das Fachpublikum der Heidegger-Gemeinde angesprochen werden sollte, die sich ja das Werk des Meisters traditionell im Verlag Vittorio Klo-stermanns zulegt, gewandet im "Grau, das wir lieben" (Lorenz Jäger). Von einer "Kommentierung", wie sie im Untertitel versprochen wird, kann darum nicht die Rede sein. Kohorten von Namen, die Heidegger erwähnt, bleiben für den uneingeweihten Leser Schall und Rauch, die zeit- und wissen-schaftshistorischen Bezüge muß er selbst rekonstruieren. Tatsächlich sind das aber Nebensächlichkeiten auf der Folie dieser Dokumente. Deren Mittelpunkt ist nicht der Briefschreiber, sondern letztlich, legt man den etwas antiquierten Maßstab der "Seelengröße" zugrunde, ohne alle Frage die 1992 fast hundertjährig verstorbene Elfride Heidegger. Daß Heideggers Briefe uns über die Bekanntschaft mit dieser großen Seele hinaus viel Material zur "deutschen Ideologie" anliefern, zu den mitunter rührend hilflosen Orientierungsversuchen des Bildungsbürgertums im "Zeitalter der Extreme", ist als zusätzliche Bereicherung natürlich hochwillkommen.

 

Goldameisen. Auch als Chefgeologe der Dyckerhoff-Gruppe braucht man offenbar einen intellektuellen Ausgleich zum prosaischen Zementgeschäft, und so hat Thomas Reimer in jahrzehntelanger akribischer Arbeit alles Material zum jahrhundertealten Mythos der "goldsammelnden Ameisen" des Herodot zusammengetragen, den schon Alexander von Humboldt in seinem "Kosmos" kurz gestreift hatte. Das Ergebnis ist ein gleichermaßen lehrreiches wie amüsantes Kompendium über erz- und mineralsammelnde/diagnostizierende Tiere: Es umfaßt Informationen von den ältesten antiken Quellen, in denen man den Wundertieren unterschiedlichste Größen zuordnete, bis zur Gegenwart, wo sich sogar die moderne Lager-stättenprospektion animalischer Helfer bedient. Da das Taschenbuch eine interessante Schnittstelle zwischen Mineralogie, Geologie, Volks- und Altertumskunde sowie handfester Mythologie abdeckt, bietet es sich auch einem breiteren Leserkreis als anregende Lektüre an (Kleiner als Hunde, aber größer als Füchse. Die Goldameisen des Herodot. Nodus Publikationen, Münster 2005, 292 Seiten, broschiert, 38,50 Euro).


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