© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/05 09. Dezember 2005

Ohne Recht und Gesetz
"Außerordentliche Transfers": Die Auslagerung schmutziger Anti-Terrorarbeit ist in den USA gang und gäbe
Alexander Griesbach

Am 27. Januar dieses Jahres versicherte US-Präsident George W. Bush in einem Interview mit der Times, daß "Folter nicht akzeptabel" sei und daß die USA keine Personen an Staaten überantworteten, in denen sie praktiziert werde. Doch die Realität ist eine andere, für die es mittlerweile auch Zeugen gibt.

Charles Murray, ehemals britischer Botschafter in Taschkent, weiß von den Gefangenenflügen der CIA, und er weiß, wie in Usbekistan gefoltert wird. Gegenüber der US-Journalistin Jane Mayer erklärte er, es sei durchaus üblich, daß Hände oder Arme von Gefangenen in kochendem Wasser verbrüht würden. Und er weiß von Gefangenen, die durch diese Foltermethoden zu Tode gekommen sind. Das Gespräch mit einem CIA-Verantwortlichen vor Ort, so Murray, verlief ergebnislos: "Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß sie durch die Vorgänge beunruhigt waren."

Schon unter Clinton gab es CIA-Flüge in Folterstaaten

Die Drecksarbeit der Folter von "Terrorverdächtigen" wurde bisher, so recherchierte Jane Mayer, in Ägypten, Jordanien, Syrien und Usbekistan geleistet. Die Journalistin konnte in ihrem Artikel, der den bezeichnenden Titel "Outsourcing Torture" (The New Yorker, 14. Februar 2005) trägt, nachweisen, daß die Praxis der Gefangenenflüge in Folterstaaten, die unter der Bezeichnung "extraordinary rendition" (außerordentliche Transfers) läuft, bereits seit der Regierung Clinton in den neunziger Jahren Geheimdienstpraxis ist.

Michael Scheuer, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, hat dieses Programm auf Anweisung des Nationalen Sicherheitsrats entwickelt. Er hat nach seinem Ausscheiden aus der CIA im Jahre 1994 unter Pseudonym zwei scharfe Kritiken über die Art, wie der Antiterrorkrieg seitens der Regierung Bush geführt wird, vorgelegt; eine dieser Kritiken, nämlich "Imperial Hubris", ist ein Bestseller geworden.

Eine überaus enge Zusammenarbeit gab es laut Scheuer mit Ägypten, dem größten Empfänger von US-Auslandshilfe nach Israel. Dessen Geheimdienst steht in dem Ruf, besonders "brutal" zu sein. Die Amerikaner hätten den ägyptischen "Verhörspezialisten" am morgen mitgeteilt, was sie von den Gefangenen wissen wollten, und hätten am Abend die Antworten erhalten. Dem Wunsch der Amerikaner allerdings, Verdächtigen selbst Fragen zu stellen, hätten sich die Ägypter verweigert. "Wir waren niemals zur selben Zeit im selben Raum", erklärte Scheuer.

Um den Anschein von Recht und Gesetz zu wahren, läßt sich die US-Regierung von den Empfängerländern das Versprechen geben, daß die überstellten Gefangenen nicht gefoltert würden. Wie vor diesem Hintergrund die von den Europäern verlangte Rechenschaft der USA zu den Gefangenenüberstellungen ausfallen wird, liegt auf der Hand. Die USA werden auch weiterhin die Mär verbreiten, sich an "Recht und Gesetz" zu halten.

Ihr mögliches Argument für die Beugung der Wahrheit machte Rohan Gunaratna, Verhörspezialist aus Sri Lanka, der von Mayer zitiert wird, plausibel: "Wenn man einen Terroristen gefangensetzt, könnte dieser über die nächsten Aktionen, die geplant sind, informiert sein. So kann es notwendig werden, diesen Gefangenen unter psychischen oder psychologischen Druck zu setzen."

Mayer macht darauf aufmerksam, daß "extraordinary recognition" nur ein Element des "Neuen Paradigmas" der Regierung Bush ist. Die CIA selber halte Dutzende von "hochkarätigen" Terroristen außerhalb der Reichweite der US-Gesetze gefangen; zusätzlich zu den cirka 150 Gefangenen, die auf Guantánamo Bay/Kuba vermutet werden. Darunter befinden sich hochrangige al- Qaida-Aktivisten wie Khalid Scheich Mohammed, aber auch Ramzi Binalshibh, angeblich der Chefplaner des 11. September 2001.

Bis heute verweigert die Regierung Bush Hinweise darauf, wo sie festgehalten werden. Was passieren kann, wenn man in die Fahndungsraster der US-Geheimdienste gerät, macht Mayer unter anderem am Fall des 34jährigen Universitätsabsolventen Maher Arar deutlich, dessen Familie nach Kanada emigrierte, als er noch ein Jugendlicher war. Am 26. September 2002 wurde Arar auf dem New Yorker John F. Kennedy-Airport festgenommen, als er sich auf dem Rückweg von Tunesien befand, wo er mit seiner Familie Urlaub machte.

Arar war ohne sein Wissen in den USA auf eine "Watch List" für Terrorverdächtige geraten. 13 Tage wurde Arar von Antiterrorspezialisten ohne Ergebnis nach möglichen anderen Terrorverdächtigen befragt. Dann wurde er in Handschellen und Fußfesseln unter Begleitung von einer "Special Removal Unit" in ein Flugzeug gesetzt, das von Washington über Rom nach Jordanien flog. Arar ahnte, daß er nach Syrien gebracht werden sollte, um gefoltert zu werden; der Versuch, mit seinem Begleitpersonal hierüber ins Gespräch zu kommen, endete ergebnislos.

Zehn Stunden nach Landung in Amman befand sich Arar bereits in Syrien, wo man ihn nach einer Phase von Drohungen zu foltern begann. Gefangengehalten wurde er in einer fensterlosen Kellerzelle. "Wenn du nicht aufgibst", wurde ihm beschieden, "wirst du wie ein Tier werden." Ohne jemals angeklagt worden zu sein, wurde Arar erst ein Jahr später entlassen, nachdem das kanadische Parlament seinen Fall aufgegriffen hatte. Imad Mustafa, der syrische Botschafter in Washington, so berichtet Jane Mayer, hatte zu erkennen gegeben, daß sein Land keinerlei Verbindungen zwischen Arar und Terroristen gefunden habe. Arar hat die US-Regierung wegen seiner Mißhandlungen mittlerweile verklagt.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen