© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/05 16. Dezember 2005

Erste Belastungsprobe
Die CIA-Affäre bleibt auch für die schwarz-rote Koalition ein Pulverfaß
Paul Rosen

Der Winter könnte für die Große Koalition noch ungemütlicher werden. Kaum regieren Union und SPD gemeinsam, da machen ihnen die heimlichen CIA-Gefangenentransporte über Europa und vermutlich mit Zwischenlandungen auf deutschen Flughäfen zu schaffen. Die Angelegenheit konzentriert sich in Deutschland zunächst auf den Fall des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri aus Neu-Ulm, der von US-Geheimdienstangehörigen in Mazedonien gekidnappt, dann nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert worden sein soll. Da die neue Bundesregierung bisher wenig Auskünfte gibt, könnten die Oppositionsparteien eventuell einen Untersuchungsausschuß erzwingen, um Licht in diese Geheimdienstaffäre zu bringen.

Vordergründig geht es um die nach der Bundestagswahl abgetretene rot-grüne Koalition. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder könnte etwas von geheimen Flügen und der Entführung gewußt haben, der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ebenso. Auch der ehemalige Innenminister Otto Schily (SPD) könnte mehr wissen, als er bisher öffentlich einräumte. Nach Presseberichten sprach Schily im Februar sogar bei CIA-Chef Porter Gross persönlich vor, um Informationen über den Entführungsfall zu erhalten.

Schröder, Fischer und Schily sind Politiker von gestern. In der neuen Legislaturperiode spielen sie alle keine bedeutende Rolle mehr. Schröder hat sogar sein Bundestagsmandat niedergelegt und will nur noch Geld verdienen. Daher ist es für den Parteienkampf im Bundestag nicht mehr so relevant, was jedem der drei nachgewiesen wird und ob die Beweisführung gelingt, daß sie etwas verschwiegen haben könnten.

Aber einer der wichtigsten Männer der SPD in der Großen Koalition, Außenminister Frank-Walter Steinmeiner, hängt möglicherweise auch mit drin. Steinmeier war zu Schröders Amtszeit Kanzleramtschef und dürfte in wichtige Geheimdienstangelegenheiten eingeweiht gewesen sein. Am heutigen Außenminister reibt sich bereits die Opposition. Sollten FDP, Grüne und Linkspartei es in einem gemeinsamen Akt schaffen, Steinmeier zum Rücktritt zu zwingen oder ihn wenigstens schwer zu beschädigen, hätte die Große Koalition einen ersten großen Riß, der nur schwer zu kitten wäre.

Für die Opposition wird der Kampf gegen die Regierung aus mehreren Gründen sehr schwierig. Zunächst sind sich FDP und Grüne schon alleine selten einig, und mit der Linkspartei dürfte es noch schwieriger werden. Es würde in einem Untersuchungsausschuß eines Kraftakts ohnegleichen bedürfen, die drei Fraktionen zu koordinieren.

Und die schwarz-rote Regierung hätte stets ein leichtes Spiel: Sie verfügt mit den Koalitionsfraktionen über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und kann damit die Tagesordnung und Zeugenvernahme im Untersuchungsausschuß weitgehend allein bestimmen. Zum anderen kann sich die Regierung stets auf den geheimen Kernbereich des Regierungshandelns zurückziehen. Zu diesen Bereichen gehören Geheimdienstangelegenheiten, über die grundsätzlich keine Auskünfte erteilt werden.

Wie das laufen wird, teilte die Regierung bereits vor Monaten auf eine Anfrage der PDS nach der Einführung mit: "Die Kontakte mit der US-Regierung waren vertraulicher Natur und lassen eine öffentliche Erörterung nicht zu." Das ist übrigens keine deutsche Besonderheit. Auch in anderen Ländern erfahren die Parlamente nichts über Geheimdiensterkenntnisse und Geheimdienstoperationen. Im Bundestag wird nur ein kleiner Ausschuß, die Parlamentarische Kontrollkommission, über wichtige Angelegenheiten unterrichtet. Ihre Mitglieder sind zum Schweigen verpflichtet.

Ein weiterer Grund, warum die Regierung ein relativ leichtes Spiel hat, liegt in der Größe ihrer parlamentarischen Mehrheit. Nur SPD oder Union könnten einen so massiven öffentlichen Druck machen und aufrechterhalten, daß die Regierung tatsächlich in Bedrängnis kommen könnte. Die anderen Fraktionen sind zu schwach. Da kann Grünen-Chef Reinhard Bütikofer noch so oft erklären, es dürfe "keine Grauzone geben, wo es um das Folterverbot und um die unverbrüchlichen Menschenrechte geht". Die Kraft, Licht in diese Grauzone zu bringen, haben Bütikofers Grüne nur begrenzt. Die Sozialdemokraten haben ohnehin kein Interesse, es mit der Aufklärung der Vorfälle zu übertreiben. Steinmeier ist einer ihrer führenden Politiker. Und die Union hat kein Interesse, den Koalitionspartner zu destabilisieren. Zu frisch ist die Koalition noch, so daß der Union nicht daran gelegen sein kann, der SPD einen Schaden zuzufügen.

Trotz einer insgesamt günstigen politischen Lage für die Große Koalition bleibt die CIA-Affäre ein Pulverfaß. Jederzeit können bisher nicht bekannte Details besonders über ausländische Quellen ans Licht kommen. In dieser Möglichkeit wurzeln denn auch vielleicht Befürchtungen, wie sie der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach, hat, der davon spricht, die Koalition stehe vor ihrer "ersten Belastungsprobe". Es wäre schlecht, wenn die Affäre nicht vor dem Jahreswechsel beendet wäre, so Bosbach. Vielleicht weiß der CDU-Politiker schon etwas mehr?


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